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Als ich von einem Versuch den Einsatzleiter über Funk zu erreichen, gegen 0.30 Uhr, zurückkam, da stand die Polizei mit ihren Wannen vor dem Mieterladen. Das war das verrückteste und schlimmste, was sie machen konnte. Da standen dicht an dicht die Leute in dem Laden, der keinen zweiten Ausgang hat. Vor dem Laden etwa 20 Polizisten, die mit ihren Schildern schon die Scheibe der offenen Ladentür eingedrückt hatten. Meine große Befürchtung war, daß man mit dem Mieterladen dasselbe macht, was man auch in einem Lokal gemacht hat - nämlich Gaspatronen reinschmeißt und daß dann bei einer entstehenden Panik die Leute von innen durch die großen Fensterscheiben gedrückt werden oder jemand totgetreten wird.

Daher versuchte ich herauszubekommen, wer denn der Zugführer sei. Unter anderem wurde mir geantwortet, "hier gibt es keinen, das Viehzeug holen wir daraus". Die sehr jungen Beamten waren durch das stundenlange Herumfahren im Steinhagel offensichtlich mit den Nerven fertig und darum zu allem fähig. Aber dann hatte man ein anderes Opfer gefunden. Es kamen drei Leute aus Richtung Kottbusser Tor, wovon der eine wie ein Papagei angezogen war. Ohne ersichtlichen Grund stürzten sich die Polizisten plötzlich auf ihn, schlugen ihn brutal zusammen und zerrten ihn in ein Polizeifahrzeug.

Dem dann noch gefundenen Zugführer versuchten wir nun klarzumachen, daß man in dieser Situation vor dem Mieterladen doch keinen mitnehmen kann. Noch bei der Abfahrt der Polizeiwagen erklärte ich dem Beamten, daß es auf dieses "Opfer" nicht ankommen dürfte, weil die Leute, die sich im Laden befinden, doch daraufhin mit Sicherheit wieder auf die Straße gehen und das Dutzend des harten Kerns, die sich noch am Oranienplatz befanden, verstärken würden. Der Zugführer aber war unfähig oder nicht willens, das zu begreifen. Meine Voraussage wurde leider wahr und der Bau der Barrikaden am Oranienplatz war die Folge.

Schwere Führungsfehler werfe ich dem Polizeipräsidenten Hübner persönlich vor. In dem Zeitraum, als er sich in die Einsatzleitung eingeschaltet hatte, fanden die Plünderungen statt. Er hätte sich doch ausmalen müssen, was passiert, wenn da stundenlang hinter zerschlagenen Fensterscheiben z.B. Schuhe griffbereit liegen und Kinder davor mit kaputten Schuhen herumlaufen. Die Polizeiführung wartete aber offensichtlich auf die Plünderungen, um hinterher (!) vor den verwüsteten Läden endlich Schilderleute aufzustellen. Es ist ein Versäumnis der Polizei, nicht schon um 17.00 Uhr, nach der Räumung des besetzten Hauses, sofort die Geschäftsleute auf evtl. Unruhen aufmerksam gemacht zu haben. Aber man ließ die Geschäfte, It. angeblichem Zitat von Hübner in einer Zeitung, ja offensichtlich vorsätzlich plündern, weil man "Straftäter "fassen" wollte.

Mir wäre es lieber gewesen, wenn die Polizei 10 Straftäter weniger festgenommen hätte, dafür aber hunderte Bürger gar nicht erst zu Straftätern hätte werden lassen. Zu den Ursachen der Hausbesetzungen werde ich - wie bisher - an gegebenen Orten Stellung nehmen.

Horst Schattner

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