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Presseerklärung von 17 Berliner Rechtsanwälten anläßlich einer Pressekonferenz der Instandbesetzer am 16.1.80

Bei den Auseinandersetzungen nach der versuchten Instandbesetzung des Hauses Fraenkelufer 48 in Berlin-Kreuzberg wurden zwischen dem 12. und dem 15. Dezember 1980 mindestens 100 Personen festgenommen. Gegen 28 wurde Haftbefehl erlassen, neun von ihnen wurden gegen Meldeauflagen sogleich vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont, weitere 14 zunächst Inhaftierte wurden zwischen dem 18. und 23. Dezember haftverschont und entlassen, davon einer am 12. Januar 1981 erneut verhaftet. Mit ihm sitzen sechs Personen auch heute noch in Untersuchungshaft.

Als Verteidiger von Verhafteten stellen wir dazu fest: bei den für die 28 Haftprüfungen zuständigen Haftrichtern war grundsätzlich die Bereitschaft vorhanden, Haftverschonung zu gewähren. Lediglich in zwei Fällen ordneten sie Fortdauer an. Daß sich trotzdem heute noch mehr als die beiden in Untersuchungshaft befinden, ist vor allem auf das Verhalten der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft zurückzuführen. Obwohl der Justizsenator den zuständigen Staatsanwälten mehrfach ausdrücklich nahegelegt hatte, Haftverschonung nicht zu blockieren, legte die Staatsanwaltschaft gegen sechs Haftverschonungsbeschlüsse Beschwerde ein. Drei der davon Betroffenen wurden von den zuständigen Richtern jedenfalls vorerst dennoch aus der Haft entlassen, von denen einer, wie bereits erwähnt, seit dem 12. Januar wieder einsitzt: In drei Fällen konnte die Staatsanwaltschaft eine Haftentlassung tatsächlich von vornherein verhindern. Die Tatsache der fortdauernden Untersuchungshaft für sechs Verhaftete hat bisher Gespräche über die Gründe und den Anlaß für die Auseinandersetzungen Mitte Dezember 1980 verhindert. Wir verstehen nicht, nach welchen Kriterien gerade die sechs der hundert Festgenommenen in Haft bleiben sollen. Ein Vergleich der ihnen gemachten Vorwürfe mit den Vorwürfen, die inzwischen dem Garski gemacht werden, weist kaum Unterschiede auf. Eine strafprozessuale Rechtfertigung dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft, in Einzelfällen einer Haftverschonung zu widersprechen, haben wir daher nicht erkennen können. Es ist allgemein bekannt, daß Verhandlungen über die instandbesetzten Häuser unmöglich sind, solange sich noch Leute in Haft befinden. Wir fragen uns, ob die Staatsanwaltschaft eine politische Lösung verhindern wollte und wie lange sie eine derartige Lösung noch verhindern darf.

Ich möchte dazu noch ein paar Ergänzungen machen. Wir befürchten vor allem eine weitere Eskalation der Situation mit Beginn der zu erwartenden etwa 100 Strafverfahren. Die ersten Verfahren sind bereits terminiert. Wir halten den Konflikt, der hier sichtbar wird, vor allem in den Strafprozessen sichtbar werden wird, nicht für einen im Kern juristischen, sondern für einen politischen Konflikt. Dieser Konflikt ist nicht zufällig entstanden und es kann keiner der politisch Verantwortlichen sagen, er habe die Konsequenzen nicht überblicken können. Es war allgemein bekannt, daß die Besetzer eine Räumung eines Hauses nicht reaktionslos hinnehmen würden. Die Verhinderung der Besetzung des Hauses Fraenkelufer 48 ist im Bewußtsein um diese Konsequenz gemacht worden. Auch im Nachhinein werden die Vorgänge um den 12./13. Dezember systematisch von offensichtlich interessierten Kreisen hochgespielt: Ich möchte ein Beispiel bringen: es ist der Presse nach dem 12./13. Dezember die Horrorzahl von 60 verletzten Polizeibeamten verbreitet worden. In den Akten über Anklageerhebungen ist ein Bericht des

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