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Jetzt traut sich der Staat nicht mehr zu räumen
aus Furcht vor der Herausbildung einer neuen
Millionärselite, den ehemaligen Glasern.
Folglich versucht er es mit anderen Methoden:

 

Baugesellschaft zerstört Öfen in besetztem Haus

Kaputtbesitzen gegen Besetzen

Mit einer Strategie der "verbrannten Erde" reagieren jetzt Wohnungsbaugesellschaften anscheinend auf Bemühungen von Hausbesetzern, Wohnraum zu erhalten, nach der Devise: Je mehr in einer Wohnung instandzusetzen ist, desto schwieriger ist das Instandbesetzen!

Die Häuser Pflügerstr. 12 und Reuterstr. 41 und 42 in Neukölln gehören der Wohnbautengesellschaft "Stadt und Land". Diese wiederum gehört zur Hälfte dem Senat, zur anderen Hälfte der berüchtigten gewerkschaftseigenen "Neuen Heimat". Seit zwei Jahren bemühte man sich um eine Abrißgenehmigung für die Häuser, die aber bisher wegen zu guter Bausubstanz nicht erteilt wurde. 30 Wohnungssuchende mochten nicht mehr warten und besetzten am 6.12. die leerstehenden Wohnungen. Sie fingen damit an, das Haus in der Pflügerstr. wieder bewohnbar zu machen und hängten in den Häusern in der Reuterstr. erstmal nur Instandbesetzungstransparente an die Fassade.

Der übliche Ablauf: Die "Stadt und Land" fordert am 29.12. zur unverzüglichen Räumung auf und weist auf die Strafbarkeit der Besetzung hin. Die Antwort kommt noch in derselben Nacht in das "Stadt und Land"-Büro in der Wehrbelliner Straße schreiben die neuen Hausbewohner: Als rechtmäßige Instandbesetzer fordern wir Sie hiermit auf, uns unverzüglich Sach- und Geldmittel zur Behebung der von Ihnen zu verantwortenden Schäden zur Verfügung zu stellen! Verneinendenfalls sehen wir uns gezwungen, Strafanzeige wegen vorsätzlichen und mutwilligen, aus niederen Beweggründen resultierenden Kaputtbesitzens zu stellen!"

Diese Drohung sollte bald einen handfesten Grund kriegen. Die Besetzer berichteten uns jetzt:

"Am Mittwoch, dem 7.1., bemerkten wir einen Trupp Bauarbeiter im Gebäude Reuterstraße 42. Da ein Zivilstreifenwagen die Bauarbeiten beschützte, wollten wir es nicht auf eine Konfrontation mit den Bauarbeitern bzw. mit der wohl schnell herbeigerufenen Polizei ankommen lassen und warteten erstmal ab.

Angesichts der tiefen Außentemperaturen hatte sich die Gesellschaft etwas ganz besonders Bösartiges ausgedacht. Innerhalb der kurzen Zeit, in der die "Bauarbeiten" im Gange waren, wurden sämtliche Öfen im Haus aber auch wirklich kurz und klein geschlagen. Badeöfen, Allesbrenner, schöne und völlig intakte Jugendstilöfen, Kachelöfen, Kochöfen, alles nur noch Trümmer."

Das Rollkommando verschonte keinen einzigen Ofen und richtete dabei nach Schätzungen der Besetzer einen Schaden von 80.000 bis 100.000 DM an. Dabei wird das Haus noch von drei Mietparteien bewohnt, denen durch diese Aktion vielleicht auch die Lust auf weiteres Ausharren darin ausgetrieben werden soll. Nachdem auch die Isolation der Wasserleitungen teilweise zerstört wurde, könnten zu erwartende Wasserrohrbrüche ein Übriges tun. Dem Schülerladen im Parterre wurde die Tür "aus Versehen" gleich mit zugenagelt. Die Leute sehen jedoch Schwierigkeiten, sich zu wehren, weil sie von Senatsgeldern abhängig sind ...

Es ist unverständlich, daß der Senat, der sich doch im Moment inständig um die Verhandlungsbereitschaft der lnstandbesetzer bemüht, als Miteigentümer von "Stadt und Land" hier einen solchen Konfrontationskurs fährt. Die Besetzer in der Pflüger-/Reuterstraße wollen das jedenfalls nicht hinnehmen und nun tatsächlich Strafanzeige ,wegen mutwilliger Sachbeschädigung" gestellt, weil ja "Stadt und Land" die nicht erteilte Abrißgenehmigung praktisch zu erzwingen versucht. Auch sonst sind sie keineswegs eingeschüchtert: "Wir werden uns durch diese gemeinen Niederträchtigkeiten nicht vertreiben lassen. Auch das Haus Reuterstr. 42 wird instandgesetzt werden!! Die Rechnung für die Töpfer und die neuen Ofen wird selbstverständlich "Stadt und Land" übernehmen müssen und zwar sofort!"

        l.H.

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