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Einzug auf Zeit in besetzte Häuser -
Initiative gegen die Eskalation der Gewalt

22.7.81

Eine falsche Wohnungsbau- und Sanierungspolitik hat zu so skandalösen sozialen Zuständen in Berlin geführt, daß beherzte Mitbürger schließlich zur Selbsthilfe gegriffen haben: sie haben wenigstens 164 von den vielen hundert Häusern, die in Berlin leerstehen, instandbesetzt. Obwohl die Zustände, die diese Selbsthilfe-Aktionen notwendig machten, unverändert fortdauern, sollen nun die instandbesetzten Häuser wieder geräumt werden. Nicht der Skandal (der im Leerstehenlassen vieler tausender Wohnungen besteht) wird ausgeräumt, sondern diejenigen, die tatkräftig und beispielhaft etwas dagegen unternommen haben.

In dieser Situation ist praktische Solidarität notwendig. Deshalb haben sich Hochschullehrer, Lehrer, Künstler, Schriftsteller, Pfarrer u.a. bereit erklärt, für die kommenden Wochen in einigen der von Räumung bedrohten Häuser anwesend zu sein und zu übernachten. Wir wollen durch unsere Anwesenheit in diesen Häusern deutlich machen, daß wir die Sache, um die es im Kern bei den Instandbesetzungen geht, unterstützen. Solange eine verhängnisvolle Wirtschaftspolitik einseitig die Besitzenden begünstigt, kann eine Lösung des Problems nicht darin bestehen, daß ein Teil der Nichtbesitzenden, der in Polizeiuniformen steckt, gegen einen anderen Teil, der Häuser instandbesetzt, in die Schlacht geschickt wird. Frontale Konflikte können mit staatlicher Gewalt zwar unterdrückt, aber nicht gelöst werden. Wir fordern den Senat von Berlin und die Staatsanwaltschaft auf, die Ursachen der sozialen Mißstände zu bekämpfen, anstatt die Symptome gewaltsam zu verdrängen.

In der Verfassung von Berlin steht, daß jedermann ein Recht auf Wohnraum hat - von einem Recht auf Grundstücksspekulation und Wohnraumzerstörung auf Kosten des Steuerzahlers steht kein Wort in der Verfassung.

Wir fordern den Senat, die Parteien und die Staatsanwaltschaft auf,

- unverzüglich zusammen mit den Betroffenen ein Instandsetzungsprogramm zu entwickeln, das den Bewohnern dient;

- Nutzungsverträge mit den Instandbesetzern abzuschließen, die deren Rechte achten;

- keine instandbesetzten Häuser mehr zu räumen und damit die Eskalation der Gewalt zu beenden;

- Durchsuchungen, die der Einschüchterung dienen, zu unterlassen;

- alle Strafverfahren einzustellen und alle Strafanträge zurückzunehmen, die ihre Ursache in der Wohnungsnot und den Instandbesetzungen haben;

- Schluß zu machen mit der Kriminalisierung der Instandbesetzer.

Wir fordern andere Bürger auf, sich unserer Initiative anzuschließen und sich mit den Instandbesetzern zu solidarisieren.

 

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