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setzten Polizisten sehr glücklich waren, als der Innensenator nach der Räumung in einem der Objekte auftauchte, mag dahingestellt bleiben. Die von der AL-Fraktion konstruierte Kausalität und versuchte Schuldzuweisung an den verantwortlichen Senator ist indes nicht so ernstzunehmen wie der Tod des jungen Westdeutschen, der in einer hektischen, möglicherweise von ihm selbst noch verschärften Situation Opfer eines Unfalls wurde, dessen Ausgang nicht zuletzt den Busfahrer psychisch belasten dürfte. Daß die Polizei Demonstranten in den fließenden Verkehr drängte, war offensichtlich und bedenklich. Wer daraus politisches Kapital zu schlagen versucht, unterstreicht nur die Notwendigkeit jener von uns schon beschworenen großen Koalition der Vernunft zum Schutze dieser gestörten Stadt.

Tagesspiegel, 23.9.81

 

Herr Lummer, Sie haben einen Menschen auf dem Gewissen

Im Berliner Häuserkampf ist ein Mensch getötet worden. Das war kein Verkehrsunfall, das war nicht das Verschulden eines durchgedrehten Busfahrers. Nein, Herr Lummer, das war einzig und allein Ihre Schuld. Sie haben gewußt, daß die Räumung der acht besetzten Häuser politische Blindheit ist. Man hat es Ihnen oft genug gesagt. Das, was Sie jetzt gemacht haben, ist nicht nur politische Blindheit, sondern ein Wahnsinn, den Sie zu verantworten haben. In einer Situation, in der die ganze Stadt unter Hochspannung steht, in der es tausende von Leuten gibt, die nicht wissen, wo sie ihre Verzweiflung und ihre Wut lassen sollen - in einer solchen Situation triumphierend eine Pressekonferenz in einem geräumten Haus zu halten, ist mehr als eine Provokation. Ohne ihr machtherrliches und geltungssüchtiges Auftreten hätte es keine Situation gegeben, bei der ein Mensch getötet wurde. Was Sie gemacht haben, ist Feldherrenmanie in Feindesland, Herr Lummer. Und Feldherren führen Krieg. Wer den Krieg erklärt, nimmt Tote In Kauf, das wissen Sie genau. Auch mit politischen Entscheidungen kann man Menschen umbringen. Wie viele solcher Entscheidungen wollen Sie noch treffen?

Vera Gaserow

die tageszeitung, 23.9.81

 

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