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Welche Arbeits- und Lebenszusammenhänge, welche Konzeptionen und Ziele sind zerstört worden?
Beitrag der Knobelsdorffstr. 42

Durch die Räumung unseres Hauses am 22.9.81 ist die Arbeit an unserem Konzept mit einem Schlag hinfällig geworden. Unsere Vorstellungen sind damit aber nicht begraben! Unser offene Brief vom 13.9.81 beschreibt unsere Lebensvorstellungen, die wir in unserem Haus für uns entwickelt haben. Der Senat hat es durchsetzen können, den billigen Wohnraum, den wir instandbesetzt hatten, zu zerstören, aber er hat es nicht geschafft, unsere Gruppe und unsere Lebensvorstellungen zu vernichten.

Als wir am 8. Mai dieses Jahres das Haus besetzten, geschah dies aus wohnungspolitischen Gründen. Doch darüber hinaus haben wir im Laufe der Zeit Ideen für unser Zusammenleben entwickelt.

Für die meisten von uns ist es das erste Mal, mit Menschen zusammen zu leben, die politisch ähnlich gesinnt sind und gemeinsame Ziele haben. Es war das erste Mal, nicht weil wir vorher nicht das Bedürfnis danach hatten, sondern weil es in Berlin wie auch in den meisten Städten. Westdeutschlands unmöglich ist, ausreichenden Wohnraum für Wohngemeinschaften zu bekommen. Leben in einer menschlichen Gemeinschaft bedeutet für uns auch, daß wir versuchen, uns gegenseitig so zu akzeptieren, wie wir wirklich sind; versuchen, die Masken abzulegen, die man "draußen" braucht, um anerkannt zu werden.

Gerade die Diskussion im Haus, der Informationsaustausch über das, was politisch läuft, wofür sich die Menschen im Haus engagieren, schafft ein Klima, das motiviert weiterzumachen mit unserer politischen Arbeit, ob es gegen Lummer, NATO-Doppelbeschluß, AKWs oder Gewalt gegen Frauen geht. Außerdem regt es die Phantasie an, man/frau bekommt mehr Lust, etwas zu machen.

Vielleicht will die unheilige Allianz von Kapital-Bürokratie-Staatsmacht gerade das kaputtmachen?

Der Brief wurde in einer Zeit verfaßt, als wieder neue Räumungsgerüchte (Psychoterror) auftauchten.

Drei Tage später am 16.9.81 wurde uns das Ultimatum gestellt. Am 22.9.81 wurde unser Haus in Kriegsspielmanier geräumt.

 

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