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Nachbemerkung
oder der Versuch eine Zwischenbilanz zu ziehen:

Auf dem nebenstehenden Bild ist von "Lummers erstem Schritt zur Endlösung" die Rede. Der vorliegende Text dokumentiert die ultimativ angesetzte Räumung von acht besetzten Häusern und den Tod von Klaus-Jürgen Rattay, ein vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzungen, auf den weiter unten im einzelnen noch einzugehen sein wird

Der spektakuläre Beginn der Auseinandersetzungen datiert vom 12.12.80. Seinerzeit hat sich recht spontan der ERMITTLUNGSAUSSCHUSS gegründet, wobei recht bald aus unserer unmittelbaren Betroffenheit eine Dokumentation entstand, wobei vieles improvisiert werden mußte. Inzwischen hat sich vieles verändert. Wir sind jetzt fester eingerichtet, haben im Mehringhof unseren eigenen Raum und sind täglich (20-22 Uhr) erreichbar.

Unsere wichtigste Aufgabe sehen wir weiterhin darin, die Leute zu unterstützen, die wegen ihres berechtigten Kampfes gegen die Wohnungsspekulation mit Strafverfahren überzogen werden. Dazu, einige Zahlen: Im Zusammenhang mit den Vorfällen am 12.12.80 gab es 58 Festnahmen, wobei 27 Haftbefehle ausgestellt wurden. Bei den Leuten, die einen Haftbefehl hatten gab es im Strafverfahren 2 Einstellungen, 23 Urteile sind ergangen, die zum größten Teil noch nicht rechtskräftig sind. Die Urteile reichen von Einstellung gegen Geldbuße bis zur Verhängung von 2,5 Jahren Haft, eine Strafhöhe, die sich wohl nur durch die zum großen Teile reaktionäre deutsche Justiz erklären läßt (im Ausland gibt es für vergleichbare Fälle 2-6 Monate auf Bewährung). Es gab auch 12 Freisprüche (fast 50%) der Verfahren. Insgesamt verzeichneten wir bis Anfang November 81 84 Prozesse gegen 96 Personen. Davon wurden 8 Verfahren eingestellt und in 33 Fällen erging Freispruch. 6 Verfahren wurden bereits in der 2. Instanz verhandelt. Dabei kam 3x dasselbe raus wie vorher, 1x gab es weniger, 2x mehr.

Die Gesamtzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren dürfte an die 5000 betragen. Wir erwarten in ca 300-500 Fällen Anklageerhebung.

Bisher haben wir bei den Verfahren in der ersten Instanz in einem Viertel der Fälle die Kosten übernommen, die jeweils 1000-1500 DM betrugen. In näherer Zukunft, werden wir wohl an die 160000 DM allein an Prozeßkosten zu übernehmen haben. Deshalb benötigen wir auch dringend weitere Spenden.

Eine weitere Aufgabe sehen wir darin, die Öffentlichkeit über das Verhalten der Berliner Polizei zu unterrichten.

Es sei daran erinnert, daß im Dezember 1980 ein Mannschaftswagen der Polizei einem jungen Mann an einem betonierten Blumenkübel die Beine zerquetschte. Im April 81 warfen wir auf einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit der Räumungsaktion am Fränkelufer die Frage auf, "wer eigentlich ermittelt in Berlin gegen diejenigen Polizisten, die im Schutze der Nacht und in Hinterhöfen Leute ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit zusammenschlagen?" und stellten fest, "wir befürchten, daß die Fortsetzung dieser Polizeistrategie demnächst auch zu Todesopfern führen wird." Im Mai 81 befand sich ein junger Mann infolge eines Knüppeleinsatzes der Polizei in akuter Lebensgefahr auf der Intensivsta-

 

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