DIE POLIZISTEN

Von einer Nacht in ihrem Mannschaftswagen

Uniformierte - wo du auch hinguckst: Der Saal 210 im Gebäude der Einsatzbereitschaft 54 in der Kreuzberger Friesenstraße ist gerammelt voll. Rund sechzig Berliner Polizisten erwarten die Einsatzbesprechung für den Tag. Acht von ihnen haben vor ein paar Tagen erst die Polizeischule verlassen, andere sind schon ein paar Jahre im Dienst. Ein Beamter nimmt mich zur Seite, mustert mich und sagt: »Ihre Kollegen da vom SFBeat - die sollten mal demonstrieren gehen, denen würden wir es zeigen!« Reporter dieses Jugendprogramms hatten ab und zu über Polizeiübergriffe berichtet. Gott sei Dank bin ich in ihren Augen nur so eine Art >Hörspielfreak< mit Krawatte, Stereotonbandgerät und Interesse für die »Arbeit der Polizei«.

»Grund unseres heutigen Beisammenseins«, so Bereitschaftsführer V. »ist eine Veranstaltung im Bereich Kreuzberg. Und zwar veranstaltet dort der Mieterladen Waldemarstraße 29, vertreten durch Frau Sabine F., wohnhaft in der Wilhelmstraße neun, - das sagt uns ja einiges - einen Aufzug mit anschließender Kundgebung unter freiem Himmel. Das Thema: Gegen Abriß und Sanierung.«

Wilhelmstraße neun - das ist die Adresse des Tommy-Weisbecker-Hauses. Ein Wohnkollektiv von 50 Jugendlichen. Das >Weisbecker<-Haus wurde im März 1973 von jungen Leuten besetzt und - vor >Abriß und Sanierung< gerettet. Zwar bezahlt der Berliner Senat die Miete, doch herrscht ein tiefes Mißtrauen. Die Leute vom »Jugendwohnkollektiv« - wie die Gruppe sich selbst nennt - sagen: »Wenn irgendwo etwas geklaut worden ist, kommt die Polizei es erstmal bei uns suchen ... «

Bereitschaftsführer V. macht eine »Bemerkung zur Lage«: »Im Bereich der Direktion fünf haben wir zur Zeit fünfzehn besetzte Objekte. Von denen ist bisher noch keines geräumt. Und, das sage ich hier auch, um irgendwelchen Gerüchten entgegenzutreten: Es ist bisher auch noch nicht konkret geplant, irgendeines zu räumen. Die heutige Veranstaltung dürfte, das ist ja wohl allen klar, eine Sympathiekundgebung für diese Besetzer werden. Die Initiative für die Kundgebung geht offensichtlich von dem sogenannten Besetzerrat aus, und Frau F. dürfte, das ist uns ja von anderen solcher Fällen bekannt, nur der Strohmann sein, der laut Versammlungsgesetz seinen Namen hergeben muß. « V. macht eine kurze Pause. Dann beugt er sich näher ans Mikrofon: »Meine Herren, das Gegenüber ist uns in seiner Einstellung hinreichend bekannt, nicht wahr?« Vielsagendes Nicken.

Das »Gegenüber« sind Kreuzbergs »Instandbesetzer«. Hier in den Backsteinkasernen der Friesenstraße heißen sie »Straßenpenner« und »Vandalen«, »Rowdys« und »Chaoten«.

An diesem Freitagnachmittag empfiehlt Bereitschaftsführer V. »äußerste Zurückhaltung« gegenüber den fünfhundert erwarteten Demonstranten: »Wenn von Ihnen, ganz egal von wem und ganz egal wie dumm der Ihnen vorher gekommen ist, eine Dienstkarte gefordert wird, dann händigen Sie die locker aus. Sie haben doch mehr davon ... « Murren im Saal. »Dann schicken Sie die eben zu mir, ich hab' auch 'ne Menge davon«, sagte V., »im täglichen Dienst ist mir das sonst ja egal. «

Auf dem Gruppenwagen wird es eng: Zwölf Beamte. Jacken, Taschen mit Broten und Thermosflaschen, Helme, Funkgeräte - an der Decke hängen Schilde in Gummibändern. Drumherum einwurfsichere Scheiben, vorn Metallgitter. Auf einem kleinen Klapptisch werden Spielkarten ausgeteilt: >Mau-Mau<. Einer notiert die Verluste.

Zugführer K. steigt zu: »Ich bitte doch, erstmal vom Kartenspiel abzusehen. Vielleicht nachher, wenn's ein bißchen ruhiger wird, aber nicht gleich zu Anfang die Karten auf den Tisch - wir fahren jetzt ab. « Und: »Ist doch schließlich Dienst, was wir hier machen. « Ein Beamter, Karten in der Hand: »Natürlich ist das Dienst.« Die vier Mau-MauZocker spielen weiter. K., ihr Chef, entschließt sich, es zu übersehen.

Ein neuer, junger Kollege, frisch von der Polizeischule,

next ->