III) Der Zwölftezwölfte

Der Anlaß war, wie meistens in solchen Fällen, eine lächerliche Panne. Als in der Nacht auf den 12. 12. knapp 30 Jugendliche mit einem Bus voll Möbeln, Schlafsäcken und Werkzeug am Fraenkelufer/Ecke Admiralstraße in Kreuzberg vorfuhren und die Tür des leerstehenden Hauses aufbrachen, waren sie im Begriff, das 13. Haus in Berlin zu besetzen. Nichts Außergewöhnliches. Doch um die Ecke stand ein Polizeitrupp mit einem delikaten Auftrag. Er sollte in der Nebenstraße ein ebenfalls leerstehendes Haus bewachen. Der Senat plante, dieses Haus den Besetzern bei Verhandlungen, die er am kommenden Tage eröffnen wollte, als "Tauschobjekt" anzubieten, und hatte deshalb keine Lust, es sich vor der Nase weg besetzen zu lassen. Derartige Feinheiten waren dem diensthabenden Einsatzleiter freilich zu hoch. Er sah eine "widerrechtliche Besetzung", wenn auch nicht "seines" Objekts, und verhinderte sie, indem er die Besetzer kurzerhand festnehmen ließ. Als dies die Besetzer eines anliegenden Hauses sahen, schlugen sie Alarm. Die Szene rückte aus, und innerhalb kürzester Zeit war rund um das Kottbusser Tor eine Straßenschlacht im Gange, wie sie Berlin seit über zehn Jahren nicht mehr erlebt hatte. In den engen Straßen des Kiezes war die Hölle los. Die Polizei knüppelte und schoß mit Tränengas. Doch zu ihrer traumatischen Überraschung war den aufgebrachten Demonstranten damit nicht beizukommen.

Im Gegenteil, Steine flogen nicht nur in sämtliche Geschäfte und Banken der Gegend, sondern auch auf die siegesgewohnten Knüppeltruppen selbst ."Es gibt nix Schöneres, als Bullen rennen zu sehen!" berichtete am Tag danach einer der Beteiligten. Geschäfte werden mit tatkräftiger Unterstützung vieler Anwohner geplündert. Es gab Sekt, Schokolade, Schuhe und kastenweise Bier zum Nulltarif. "Das ist die Anarchie, das ist das Chaos!" wiederholte ein völlig konsternierter Ladenbesitzer immer wieder, während er linke und rechte Damen- und Herrenschuhe, die auf der Straße verstreut waren, zu retten versuchte.

Es gibt an diesem Abend freilich auch mehrere Schwerverletzte, einem jungen Holzarbeiter werden die Beine von einer "Wanne" zerquetscht, auf dem Pflaster haben sich teilweise regelrechte Blutlachen gebildet. Und es gibt seit dieser Nacht "Gefangene der Bewegung", für deren Freilassung gekämpft wird.

In den folgenden beiden Nächten setzt sich die Randale in Kreuzberg und am Ku-Damm fort. "Chaoten legten Ku Damm in Schutt und Asche!" brüllt Springer. Ein spontan gebildeter Ermittlungsausschuß legt Zahlen und Berichte

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