gang mit ihm, und sein eigener Vater, ein einfacher Arbeiter, machte ihm Vorwürfe: »Haste denn nix Besseres zu tun, als wie den Staat zu zerstören. Du bist ja so einer wie Baader-Meinhof.« Irgendwann prügelten sie sich, Tommi ging von zu Hause weg und wollte mit Freunden ein Haus besetzen. Der Plan sprach sich zu weit herum, und aIs er in eine Wirtschaft kam, schauten ihn die Maßkrugstemmer erst schief an, dann sagte einer von ihnen: »A Haus willst b'setzn, hab i g'hört. Schleich di doch endlich nach Berlin!«

Politik als pure Kopfarbeit, die kleinen Schritte mühseliger Aufklärung, hatten ihn ohnehin unbefriedigt gelassen: »Du brauchst ja auch mal was Physisches zum Ausgleich. « In der Hauptstadt der Jugendrevolte gab es dazu genug Möglichkeiten. Aktionen, über deren Details er aus verständlichen Gründen schweigt. »Vor einem halben Jahr habe ich volle Kamikazeaktionen gemacht, es war eine reine Feeling-Sache. Ich stand mit einem halben Bein im Knast, aber wenn ich losgezogen bin, wußte ich, heute abend bin ich wieder daheim. Es hat geschebbert, und ich wußte: mich erwischt keiner.«

Er hatte das Glück des Tüchtigen, und heute spricht er mit einer Mischung aus Stolz und distanzierter Zurückhaltung über diese illegalen Aktionen: »Bestimmte Sachen würde ich heute nicht mehr, andere vor allem überlegter machen. Außerdem hat mich das Feeling der ganzen Sache beeinflußt. Heute wird den Bullen bei Durchsuchungen ja schon zugelächelt. Ich bin heute noch davon überzeugt, daß es schebbern muß, wenn sich wirklich etwas verändern soll, aber das alleine reicht nicht. Die Szene muß wachsen, sonst hat sie keine Chance.« Heute sieht er seine ersten Monate in Berlin als Höhenflug mit beachtlichem Realitätsverlust. Bewegungsvollversammlungen, Besetzerräte, Demos, Aktionen, rund um die Uhr mit Besetzern zusammen, wie auf einer Insel, ohne Kontakt zu den »Normalos«, wie er die normierten und normierenden Mitglieder der Gesellschaft nennt. Diese Sorte Mensch hat er erst auf der Fachoberschule für Verwaltung wiedergetroffen, die er seit ein paar Monaten besucht. Als einziger Hausbesetzer weit und breit versucht er grundsätzlich politisch zu argumentieren. »Das sind dann schon wieder bayerische Verhältnisse«, stellt er lachend fest. »Aber es hat auch was Gutes. Deine Ideen sind nicht mehr so abgehoben, und du hast einen besseren Überblick, was realistisch abläuft.. Du kannst hier natürlich immer noch viel mehr machen als in Bayern. Das verkennen die Leute, die jetzt sagen: Berlin ist tot. Scheiße, jetzt hauen wir wieder ab.«

Tommi will bleiben, ihm gefällt es auch auf der Potsdamer. »Hier tanzen die Leute auf der Straße herum, sind total besoffen, aber daran stört sich kein Mensch, wenn nicht mal ein Bulle vorbeikommt und den wegschafft. Die Atmosphäre ist ziemlich anonym, aber trotzdem kannst du dich wohl fühlen. Klar fänd ich's besser, wenn die Leute mal weniger Drogen in sich reinkippen würden und dafür mehr von sich einbringen oder was zusammen machen würden,' aber wenn du die ganze Stadt abgrast, sind die Verhältnisse hier für mich noch am erträglichsten. Es hängen nicht so viele Touristen rum und es gibt zu wenig Spießer, als daß die hier ihre, Atmosphäre verbreiten könnten. Die Leute gehen halt mit so einem Verständnis ran, >wenn de mir meine Ruhe läßt und mich meine Sachen machen läßt, laß ich dich deine Sachen machen<. Deshalb fallen wir hier gar nicht weiter auf und stören niemanden.«

Daß sie ungestört machen können, was sie wollen, dafür sorgt auch die Architektur ihrer beiden Häuser, deren Seitenflügel und Hinterhäuser ein abgeschlossenes, burgartiges Quadrat formen. Der Hof mit einer großen Kastanie und in Terrassen angelegten Beeten wird im Sommer zu einer idyllischen, vor dem Lärm und Dreck der Straße geschützten Oase. Die grauen Wände rundherum, die nicht wie die Front zur Straße mit frischem Weiß getüncht wurden, ziert eine Galerie von Graffittis. Neue Heimat.. - Kotz Würg, Gewühl und Hertie, RZ, IRA, Hopp hopp hopp Bullen Stop, Enteignet, Kommt doch ihr Schweine. Von der Wirklichkeit längst überholte Reminiszenzen an die wilden Zeiten, als es noch die Hausbesetzer waren, denen die Sorgenfalten der Berliner Politiker galten, als sie ihre wirkungsvollsten Argumente - die Steine - noch nicht aus der Hand gelegt hatten und sogar die gesamte Enquete-Kommission des Bundestages, die den Jugendprotest im demokratischen Rechtsstaat erforschen sollte, ins K. 0. B. kam, um den Dialog mit der No-future-Generation »vor Ort« zu pflegen. Besagte Kommission hat unlängst ihren ebenso umfangreichen wie wirkungslosen Abschlußbericht veröffentlicht. Ihr Untersuchungsobjekt hat sich schon vor gut einem Jahr von der politischen Bühne verabschiedet. Die Bewegung ist Vergangenheit, und sogar die Trauer darüber ist es mittlerweile schon. Die Sympathisanten haben sich ebenso schnell wieder abgesetzt, wie sie auf den fahrenden Zug aufgesprungen sind, die Journalisten - auch die von den Besetzern haßgeliebten Redakteure der tageszeitung - lassen sich bestenfalls noch zu Kurzmeldungen hinreißen, wenn wieder mal ein Haus geräumt wird oder ein anderes einen Mietvertrag abgeschlossen hat.

Wer läßt sich auch gerne von einer immer geschickter und härter operierenden Polizeistreitmacht jagen? Zumal der Rausch des Straßenkampfes wie jede Droge bei gewohnheitsmäßigem Genuß an Wirkung verliert. Wer

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