2.6 Das Internationale Handelszentrum (IHZ)

Im Sommer 1988 schreibt die Stadt Düsseldorf einen städtebaulichen Ideenwettbewerb aus, in dem Ideen zur Überplanung einer Industriebrache östlich des Hauptbahnhofs in Oberbilk entwickelt werden sollen. Planungsvorgabe ist ein “internationales Handelszentrum mit attraktiver Bürostruktur, Einzelhandels-, Wohn- und Grünflächen ”.[1484] Diese Planungen müssen vor dem Hintergrund betrachtet werden, daß Düsseldorf seine Position als europäische Dienstleistung-, Handels- und Verwaltungsmetropole mit Außenhandelswirkung ausbauen will. [1485] Düsseldorf ist bereits seit Mitte der achtziger Jahre einer der wichtigsten Außenhandelsplätze der BRD. Im Jahre 1988 beträgt der Auslandsanteil am Gesamtumsatz der verarbeitenden Betriebe in Düsseldorf 34,8 %. “Im Bereich Handel, Dienstleistungen und Verkehr betrug der Auslandsumsatz 1984/1985 ein Drittel des Gesamtumsatzes: 18,4 Mrd. DM. Das sind 15 % vom Auslandsumsatz der BRD! [1486]
Um diese Position - rechtzeitig zur Öffnung des EG-Binnenmarktes 1992 - zu stärken, sind Stadtverwaltung und Ratsmehrheit bestrebt, neuen Dienstleistungsunternehmen optimale Ausgangsbedingungen zu bieten. Für die Ansiedlung neuer Betriebe werden große Flächen - möglichst innenstadtnah - benötigt. Deshalb bemühen sich StadtplanerInnen, Büroarbeitsschwerpunkte, d.h. Kerngebiete mit hoher Verdichtung, im Innenstadtbereich auszuweisen. Aufgrund der guten Infrastruktur bietet sich dabei das Brachland in Hauptbahnhof-Nähe an.
Dem IHZ kommt laut Ausschreibung eine besondere Bedeutung zu. Das Projekt soll neben seiner ökonomischen Bedeutung “auch baulich Wahrzeichen der zentralen Bedeutung Düsseldorfs für den Handel in der Bundesrepublik und (...) im EG-Binnenraum [1487] sein.
Das äußere Erscheinungbild des IHZ, wie es ursprünglich geplant wurde, ist in der Tat äußerst markant. Bestandteil des gigantischen Gebäudekomplexes soll u.a. ein 140 Meter hoher Wolkenkratzer sein, für den der bezeichnende Name ‘Park Tower’ gefunden wird. [1488] Die anderen Bestandteile des Entwurfs, der den städtischen Wettbewerb gewinnt, sind:

Der Büro/Gewerbekomplex IHZ setzt sich aus folgende Einzelprojekten zusammen: einem Luxushotel der ASTRON-Kette, einem Sowjetischen Handelszentrum (das nach dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 in ‘Rußlandhaus’ umbenannt wird), dem ‘World-Trade-Center’ und dem 140 Meter hohen Bürohochhaus. [1490]
Vor Baubeginn gilt es nun, letzte organisatorische Barrieren zu beseitigen. “70.000 qm des für das IHZ vorgesehenen Geländes gehörten Daimler-Benz. Bedingung für den Verkauf an die Stadt war die Baugenehmigung für das Mercedes-Benz Kunden-Center auf dem Gelände des Rheinbahn Betriebshofes am Mörsenbroicher Ei. Die Rheinbahn AG verlagerte ihr Depot auf das Mannesmanngelände nach Lierenfeld (Baukosten 150 Mio. DM), die Stadt kaufte das Grundstück von Daimler-Benz, schenkte es den Investoren und schon konnte es losgehen .”[1491] Zur Vorbereitung der Bebauung gehört übrigens auch der Abriß etlicher Wohnhäuser an der Kölner Straße. [1492] Auch die wilde Grünfläche des Bebauungsgebiets - ein kleines Biotop und ‘Grüne Lunge’ in der City - fällt den Baggern zum Opfer.
Und jetzt hätte es tatsächlich losgehen können, wenn sich nicht mittlerweile die meisten InvestorInnen wieder aus dem Projekt zurückgezogen hätten.
Letztendlich realisiert werden nur das ASTRON-Hotel sowie das Ost-West-Haus (ehemals Rußlandhaus), das am 24. November 1994 eröffnet wird. Vom einst gelanten Projekt eines Sowjetischen Handelszentrums mußten große Abstriche gemacht werden: Die erste und bis heute einzige Mieterin im Ost-West-Haus ist die Sibirische Handelsbank. [1493] Insgesamt verfügt das Ost-West-Haus über 11.500 qm Bürofläche, 1.000 qm Ausstellungsfläche, 250 Parkplätze, 30 ManagerInnenwohnungen und eine ManagerInnenschule. Allerdings sind fast 6.000 qm Bürofläche bis heute unvermietet. [1494]
Nicht unerwähnt bleiben darf auch der Bau einer hochmodernen U-Bahn-Station ‘Handelszentrum’, die eigens für das IHZ gebaut wurde und runde 185 Millionen DM öffentlicher Mittel verschlungen hat. [1495]
Die WZ schreibt 1995 über das IHZ: “Das Internationale Handelszentrum (IHZ) wurde für die Stadtplaner in den letzten Jahren zu Alptraum: Drei Großvorhaben kamen nur langsam in die Gänge oder blieben auf den Reißbrettern emsiger Architekten bloße Träume. Dies war das Schicksal der ‘Möwe’, eines gigantische Hochhauses, und des World-Trade-Centers .”[1496]
Im August 1995 scheint sich eine Wende beim Pleite-Projekt IHZ anzubahnen. Im Frühsommer 1996 wollen zwei große Wirtschaftsprüfungsunternehmen - die Wibera und die C & L Deutsche Revision - mit den Bauarbeiten zu einem 150-Millionen-Projekt beginnen. “Wo im städtischen Modell noch das World-Trade-Center steht, soll nun das größte Zentrum von Wirtschaftsprüfern in Nordrhein-Westfalen gebaut werden. Die beiden Unternehmen schaffen hier Platz für 1.000 Mitarbeiter .”[1497] Geplant ist eine großflächige Bürobebauung, die mit bis zu acht Stockwerken unter der Hochhaus-Marke [1498] liegt. Die Stadt hofiert die Unternehmen unverhohlen und räumt lästige (politische) Hindernisse aus dem Weg: Sobald die Unternehmensleitungen sich für einen der drei vorliegenden Planungsentwürfe entschieden haben, findet ein Gespräch mit den Spitzen von Rat und Verwaltung statt, das die Bauvoranfrage ersetzt. “Dem Projekt wird gesamtstädtische Bedeutung zugesprochen, und nur noch der Planungsausschuß ist beteiligt. Die Bezirksvertretung 3 darf nicht mehr mitreden .”[1499] Sogar KommunalpolitikerInnen des Bezirks sollen also von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden. Von BürgerInnenbeteiligung ist in diesem Zusammenhang (ehrlicherweise?) gar nicht mehr die Rede.


[1484] Broschüre zum Wettbewerb, S. 4.
[1485] “Mit Sicherheit werden die Entwicklungen in Westeuropa und Deutschland (...) dazu führen, daß (...) auch der Wettbewerb zwischen Wirtschaftsregionen und einzelnen Standorten intensiver werden wird.” - prognos 1, S. 12 (Kurzfassung).
[1486] DKP-Flingern, IHZ und der Rest der Welt, 27.9.90, S. 2.
[1487] Ebenda, S. 2.
[1488] Vgl. Trudewind, A., Düsseldorf 1945-1994, S. 186.
[1489] Vgl. Proschinski, U. & Wahlers, J., Grundzüge der Stadtplanung, S. 39 ff.
[1490] Vgl. Terz, 1/95, S. 21.
[1491] Ebenda, S. 21.
[1492] Hievon sind u.a. das Frauen- und Lesben-Projekt ‘Hexenkessel’ und die Schwulen- und Lesben-Kneipe ‘Café Rosa Mond’ betroffen. Beide Initiativen waren in städtischen Häusern untergebracht und wurden nun auf die Straße gesetzt. Ersatzräume bot die Stadt nicht an, vgl. ebenda, S. 21.
[1493] Vgl. Trudewind, A., Düsseldorf 1945-1994, S. 215.
[1494] Vgl. Terz, 1/95, S. 22.
[1495] Die Haltestelle wird heute kaum genutzt, vgl. ebenda, S. 22.
[1496] WZ, 4.8.95.
[1497] Ebenda.
[1498] Diese liegt bei 22 Metern.
[1499] WZ, 4.8.95.


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