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Stellungnahme des Besetzerrates:
Die Wahrheit über das Interesse an einer Lösung des Konflikts

Wie sollen wir Hausbesetzer das Interesse der Senatoren an einer politischen und friedlichen Lösung des Konflikts verstehen, wenn sie nicht gleichzeitig alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel konsequent nützen, um dieses zu erreichen. Wie sollen wir das verstehen, wenn der Senat unsere Forderungen nach einer sofortigen Freilassung aller Gefangenen und Einstellung aller Ermittlungsverfahren seit Wochen ignoriert, obwohl doch gerade er und nur er die eigentlichen Mittel in seinen Händen hält. Wie sollen wir verstehen, wenn der Justizsenator von der Möglichkeit der Weisungsbefugnis an die Staatsanwaltschaft als Vorgesetzter der Staatsanwälte bei den Haftprüfungsterminen keinen Gebrauch macht. Wie sollen wir das verstehen, wenn die Fraktionen im Abgeordnetenhaus kein Interesse an einem Amnestiegesetz bekunden, obwohl nach Artikel 45 der Berliner Verfassung sie die einzigen sind, die solches veranlassen und verabschieden können, und damit die Voraussetzung für eine Lösung der Konfrontation nur selbst schaffen können. Wir Hausbesetzer können mit der öffentlichen Begründung des Willens zur Wiederherstellung des inneren Friedens und der gleichzeitigen Verhinderung ebensolcher durch die bewußte Ignoranz innenpolitischer Maßnahmen nur erkennen, daß der Senat kein wirkliches Interesse an einer sowohl politischen als auch friedlichen Lösung hat und er deshalb auch die politische Verantwortung für den bestehenden Konflikt alleine zu tragen hat.

Anmerkung zur Amnestie: Nach Artikel 45 der Berliner Verfassung kann das Abgeordnetenhaus auf Antrag eines seiner Mitglieder mit einfacher Mehrheit eine Amnestie bzw. Straffreiheitsgesetz verabschieden. Ein Amnestiegesetz macht Straftaten nicht ungeschehen, sondern setzt den Strafvollzug nur außer Kraft. Es Iöscht keine Schuld und hebt kein Urteil auf. In Wahrheit verbietet die Amnestie, erkannte Strafen zu vollstrecken. Das heißt, die Prozesse finden ganz normal statt, nur der Strafvollzug wird praktisch ausgesetzt, die Strafen werden nicht abgesessen. Besonders hervorzuheben unter den verschiedenen Typen von Amnestie ist die Befriedungsamnestie. Die Befriedungsamnestie soll den inneren Frieden erhalten oder wiederherstellen, der durch politische Gegensätze und die Form ihrer Austragung gestört ist.

Es ist die Sache des Senats, sich zu überlegen, ob sie einen Konflikt Iösen wollen. Das hat nichts mehr mit unserer Sturheit zu tun, sondern das hat eher mit der Sturheit des Senats zu tun, daß es hier noch einen Konflikt gibt.

Vom Senat wird immer wieder behauptet, bei der Wohnraumzerstörung oder illegalem Leerstand handele es sich um Verfehlungen einzelner Hausbesitzer, auf die der Senat keinen Einfluß habe, die sogenannten schwarzen Schafe. Sieht man sich die Liste der derzeit instandbesetzten Häuser an, sieht man, daß das nicht stimmt. Wir haben eine Liste aller instandbesetzten Häuser. Sieht man sich diese Liste an, stellt man fest, daß sie alle entweder senatseigenen Wohnungsbaugesellschaften gehören oder aber privaten Unternehmensgruppen, die alle vom Senat als Sanierungsträger zugelassen und anerkannt sind. Als solche Sanierungsträger unterliegen sie nach § 34 des Stadtebauförderungsgesetzes der Kontrolle des Senats. Die leitenden Personen der Sanierungsträger müssen geschäftlich zuverlässig sein. Der Senat kann die Zulassung widerrufen. Außerdem leben die privaten Sanierungsträger ausschließlich von Steuergeldern, die der Senat durch verschiedene Wohnungsbau- und Modernisierungsförderung vergibt.

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