Der Faschismus der Schönheit |
Über gesunde Kunst in Mein Kampf |
Im Vorwort seiner deutschen Bewegungslehre schreibt A.Hitler (1898-1945), daß er den Teil über seine Jugendjahre namentlich deshalb aufgenommen hat, um die "von der jüdischen Presse betriebene üble Legendenbildung über meine Person" auf ihre wahren Proportionen zurückzubringen. Dabei ist er bestrebt, nur das zu erzählen, was "zum Verständnis" des ganzen Buches "dienen kann". Was Hitler über seine Jugend herausläßt, ist nicht nur wahr, sondern erklärt überdies den Rest. Ohne die "Darstellung meines eigenen Werdens" wäre Mein Kampf nicht so gut zu verstehen, wie mit diesem kleinen Appetithäppchen. Die nachstehende Auswahl an Zitaten aus Mein Kampf konzentriert sich auf Hitlers Berufung zur Kunst und was damit zusammenhängt. Die Ansichten, die er in seinem deutschen Knastbuch über Kunst zum besten gibt, stellen genauso wenig dar, wie seine Zeichnungen und Gemälde, die selbst in einem neuen Deutschland keine Ausstellung wert sind. Die Normalität von Hitlers Asthetik ist nicht nur ein kleinbürgerlicher Ausdruck eines individuellen Traumas, sondern bringt harte Fakten über die Schönheit, die seit ihm nie mehr dieselbe war.
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"Wie es nun kam, weiß ich heute selber nicht, aber eines Tages war es mir klar, daß ich Maler werden würde, Kunstmaler. Mein Talent zum Zeichnen stand allerdings fest, war es doch sogar mit ein Grund für den Vater, mich auf die Realschule zu schicken. Als ich nun ziemlich unvermittelt mit meinem unterdessen fest gefaßten Entschluß herausplatzte, war der Vater zunächst sprachlos. 'Maler? Kunstmaler?' Er zweifelte an meiner Vernunft, glaubte vielleicht auch nicht recht gehört oder verstanden zu haben. Nachdem er allerdings darüber aufgeklärt war und besonders die Ernsthaftigkeit meiner Absicht fühlte, warf er sich dann auch mit der ganzen Entschlossenheit seines Wesens dagegen. 'Kunstmaler, nein, solange ich lebe, niemals.' Mit dem 13.Lebensjahr verlor ich urplötzlich den Vater. Ein Schlaganfall traf den sonst so rüstigen Herrn und beendete auf schmerzlose Weise seine irdische Wanderung, uns alle in tiefstes Leid versenkend. Die Mutter fühlte sich wohl verpflichtet, gemäß dem Wunsche des Vaters meine Erziehung weiter zu leiten, d.h. also mich für die Beamtenlaufbahn studieren zu lassen. Da kam mir plötzlich eine Krankheit zu Hilfe und entschied in wenigen Wochen über meine Zukunft und die dauernde Streitfrage des väterlichen Hauses. Was ich so lange im Stillen ersehnt, für was ich immer gestritten hatte, war nun durch mein schweres Lungenleiden mit einem Male fast von selber zur Wirklichkeit geworden. Unter dem Eindruck meiner Erkrankung willigte die Mutter endlich ein, mich die Akademie besuchen zu lassen. Es waren die glücklichsten Tage, die mir nahezu als ein schöner Traum erschienen; und ein Traum sollte es ja auch nur sein. Denn der Tod der Mutter machte all den schönen Plänen ein jähes Ende. Es war der Abschluß einer langen, schmerzhaften Krankheit, die von Anfang an wenig Aussicht auf Genesung ließ. Dennoch traf besonders mich der Schlag entsetzlich. Ich hatte den Vater verehrt, die Mutter jedoch geliebt.
In den letzten Leidensmonaten der Mutter war ich nach Wien gefahren, um die Aufnahmeprüfung in die Akademie zu machen, überzeugt, sie spielend leicht bestehen zu können. Ich wartete mit brennender Ungeduld, aber auch mit stolzer Zuversicht auf das Ergebnis. Ich war vom Erfolge so überzeugt, daß die mir verkündete Ablehnung mich wie ein jäher Schlag aus heiterem Himmel traf. Und doch war es so. Ich lief die Tage vom frühen Morgen bis in die späte Nacht von einer Sehenwürdigkeit zur anderen, alleine es waren immer nur die Bauten, die mich in erster Linie fesselten. In wenigen Tagen wußte ich, daß ich einst Baumeister werden würde. Freilich war der Weg unerhört schwer, denn der Besuch der Architekturschule der Akademie war abhängig vom Besuch der Bauschule der Technik, und den Eintritt in diese bedingte eine vorher abgelegte Matura an der Mittelschule. Dieses alles fehlte mir vollständig. Nach menschlichem Ermessen also war eine Erfüllung meines Künstlertraumes nicht mehr möglich.
Ich glaube, meine Umgebung von damals hielt mich wohl für einen Sonderling. Die Baukunst schien mir neben der Musik als die Königin der Künste: meine Beschäftigung mit ihr war unter solchen Umständen auch keine 'Arbeit' sondern höchstes Glück. So verstärkte sich mein Glaube, daß mir mein schöner Zukunftstraum, wenn auch nach langen Jahren, doch Wirklichkeit werden würde. Ich war fest davon überzeugt, als Baumeister mir dereinst einen Namen zu machen.
Was damals mir als Härte des Schicksals erschien, preise ich heute als Weisheit der Vorsehung. Indem mich die Göttin der Not in ihre Arme nahm und mich oft zu zerbrechen drohte, wuchs der Wille zum Widerstand, und endlich blieb der Wille Sieger. Und mehr noch als dieses preise ich sie dafür, daß sie mich losriß von der Hohlheit des gemächlichen Lebens, daß sie das Muttersöhnchen aus den weichen Daunen zog und nun Frau Sorge zur neuen Mutter gab, daß sie den Widerstrebenden hineinwarf in die Welt des Elends und der Armut und ihn so die kennen lernen ließ, für die er später kämpfen sollte."
Eine interessante Frage ist nicht so sehr, ob Adolf in seinem Bericht über seine Berufung zur Kunst mit Absicht so strikt dem ödipalen Schema folgt, denn ob er diese kleinbürgerliche Ladung da nun hineingesteckt hat oder nicht: der inzestuöse Skandal tritt so offensichtlich zutage, daß es nie mehr als eine symbolische Wahrheit sein kann. Es ging ihm um den mitreißenden Effekt des Kampfes, den er als "kleiner Rädelsführer" durchgemacht hatte. Und um die Verdeutlichung des etwas merkwürdigen Ursprungs seines politischen Engagements, und um mehr nicht.
Die Beschreibung seiner Berufung zur Kunst problematisiert Hitler, indem er von den Konfrontationen und Kollisionen mit seinem Vater und seiner Mutter berichtet. Kunst befindet sich für ihn in der emotionalen Sphäre des 'insex'. Tod, Träume und Liebe sind die Begriffe, die die Kunst umgeben. Die verbotene Verlockung ist der Inzest, und was er beschreibt ist seine Version der ödipustragödie. Erst nach dem Sieg über das Elternhaus kann er die Kunst beiseite schieben und den Kampf um das Europäische Haus beginnen. Zurück zu Mein Kampf. Der Vater weigert sich, seinen Sohn von der Beamtenschule zu holen und anstatt dessen auf eine Kunstakademie zu schicken, "besonders (weil er) die Ernsthaftigkeit meiner Absicht fühlte". Sein Vater verstand nicht, was damit nicht stimmte, aber intuitiv begriff er das nur allzugut und roch den Braten. Weil der Vater selbst eine Sache von Leben und Tod daraus macht, - "Solange ich lebe, niemals!" -, bleibt ihm also nicht anderes übrig, als daß er stirbt. Und so geschah es.
Der Vater hatte mit seinem Leben für die Versperrung des Weges zur Mutter gebürgt, und jetzt, wo er abgekratzt ist, kommt die Mutter an die Reihe. Anfänglich weigert sie sich und beweist so ihre Treue zum Vater. Als es Hitler klar wird, daß er nicht auf diese Weise der Mutter großer Bub sein kann, ersinnt er die List, wiederum der Mutter kleines Bübchen zu werden. Er wird ernsthaft krank, ein "schweres Lungenleiden" nota bene. Vielleicht TBC, muß die Mutter gefürchtet haben. Damit zwingt er endlich Mams in die Knie. Er darf "Maler, Kunstmaler" werden. Während seines Krankenlagers erlebt Adolf "die glücklichsten Tage, die mir nahezu als ein schöner Traum erschienen". In der Tat, nahezu, denn durch seine Berufung zur Kunst führte er sich selbst an der Nase herum: der schöne Traum war etwas zu schön.
Es mag zwar bereits ein Makel an seinem Kunsttraum kleben, trotzdem ist Hitler überglücklich, daß die Mutter sich seine neue zukünftige gesellschaftliche Position vorstellen kann. Als Künstler wird er für sie die Rolle erfüllen können, die der Vater, rüstig wie er war, dennoch versagte. Aber dann bekommt Hitler eben den empfindlichen Klaps. Er wird - wie er selbst sagt - zu Unrecht von der Kunstakademie abgewiesen. Sein Talent zum Zeichnen wird völlig verkannt. Die Wiener Herren sorgen so dafür, daß Adolfs wahre Beziehung zu seiner Mutter eine der Schande wird. Adolf ver-sagt als Mann und bleibt Kind. Die Mutter nimmt sich dieses Drama sehr zu Herzen und stirbt. Damit geht eine "lange, schmerzhafte Krankheit" zu Ende. Aber die Ehrlichkeit gebietet, dem hinzuzufügen, daß die Krankheit von Beginn an wenig Aussicht auf Genesung geboten hat. Eigentlich war der schlimme Ablauf schon die ganze Zeit darin angelegt. Die Berufung zur Kunst war nämlich schon immer ein Kunstgriff, um mit dem Vater zu brechen. Wie auch immer, die Mutter verkörpert weiterhin die 'insexuellen' Begierden, die Hitler nun eben in die Kunst projiziert hatte. Mit ihrem Tod ist Hitlers Kunstlaufbahn gesichert und er kann mit dem künftigen künstlerischen Erfolg beginnen.
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Natürlich will Hitler mit seinem Bericht über "die dauernde Streitfrage des väterlichen Hauses" zuallererst klar machen, daß er sicher keine einfache Jugend gehabt hat. Er wollte nämlich etwas anderes sein als der Vater. "Ich wollte 'etwas' werden, allerdings - auf keinen Fall Beamter.". Das Publikum soll wissen, daß sein Charakter im Kampf um das Ideal entstanden ist. Zugleich deutet er wiederholt an, daß das Publikum bei 'Maler' unwillkürlich an 'Dekorationsmaler' denkt. Damit trickst Hitler seine Leser ("nicht die Fremden, sondern die Anhänger der Bewegung") gleich aus, denn die können sich unter 'Kunstmaler' nicht viel anderes vorstellen, als einen Bohemien, der nackte Weiber auf die Leinwand pinselt. Der Fanclub bekommt damit die falschen verbotenen Gedanken gereicht. Obwohl der Bericht über seine Jugend durch und durch inzestuös ist (und aus diesen Gründen spannend), kann die Leserschaft sich dessen nicht bewußt werden, weil der Gedanke an Hitler als Muttificker blockiert wird durch den an den Großen Führer als Nacktmaler. So entsteht ein multiplier- Effekt: das eine Verbot wird verstärkt durch das andere. Die Kunst verdeckt die 'insexuelle' Verführung und produziert zugleich Assoziationen über den Maler und sein Modell. Die schmutzigen Gedanken an Mutter und Modell machen so unlösbar Teil von Hitlers Kunstauffassung aus. An Kunst darf kein Schmutz haften, sonst kommt die Schweinerei nach oben. Kunst muß schön sein. Der Schmutz und der Dreck sind bedrohlich und daher ist die Müllverbrennung im Interesse der Kunst. Die propagandistische Wirkung dieser Operation unter der Gürtellinie des Bewußtseins ist der, daß Hitler als sauberer, reiner und geläuterter Mann erscheint, der Bewunderung verdient. Er schafft es, sich aufrecht zu halten, auch wenn er Rückschlag auf Rückschlag verkraften muß. Die schmutzigen Hintergedanken verschwinden hinter dem strahlenden Bild des Großen Führers, welches er mit seinem Kunstideal heraufbeschwört; sie bleiben undenkbar, aber werden dennoch in das assoziative Potential der Bewegung und ihres Vernichtungsdrangs aufgenommen.
Hitler beschreibt die Adoleszenz nicht als eine öde Periode, an der nichts dran war, weil man nichts durfte und nichts konnte, sondern als ein durch den Allerhöchsten gelenkte Läuterungsphase. Hitlers Mißerfolge erweisen sich im nachhinein jedesmal als Triumphe. Vater, Mutter, Akademie, die Göttin der Not: es zeigt sich, daß alles durch die Vorsehung gelenkt ist, um Hitler an die Macht zu bringen. Die höheren Mächte bringen ihn jedesmal auf einen Weg, dessen Bedeutung ihm erst im Nachhinein klar wird. "Daß ich meine Studien auf dem Gebiet der Baukunst nicht vernachlässigte, ist selbstverständlich. Daß ich nebenbei auch noch das größte Interesse für alles, was mit Politik zusammenhing, besaß, schien mir nicht viel zu bedeuten. Im Gegenteil; dies war in meinen Augen ja die selbstverständliche Pflicht jedes denkenden Menschen überhaupt." Eine selbstverständliche Nebensächlichkeit verwandelt sich in eine allesbeherrschende Fixierung. Adolf wird vom Kunstmaler zum Baumeister und schließlich zum Volksführer, und alles aus der Höhe gelenkt. Doch zugleich mit der Erweiterung seines künstlerischen Denkschemas erweitert sich auch der Bereich und das Potential von unbewußter Schmutzigkeit. Alles was auch nur von Ferne an das insexuelle Kunstwerk appelliert, den weichen Daunen des ödipalen Konflikts, vervielfacht sich auf der imaginären Fläche und nimmt monströse Formen an. So setzt das Überwesen die Opposition des Unterwesens voraus und der Endkampf wird unvermeidlich.
Schönheit schmarotzt im Faschismus vom Schmutz. Schönheit ist ein aktiver Prozeß, kein auf sich selbst beruhender Wert. Sie ist immer dasjenige, was von negativen Flecken gereinigt ist. Sie kann sich als positiver Beitrag nie vom Schrott losmachen. Der wahre Künstler reinigt sich in seinem Schöpfungsdrang. Der schlechte Gaukler dagegen kleckert mit seinem eigenen Schmutz und besudelt damit das Publikum. Hitlers Vorliebe für die griechische Kunst ist dann auch hygienisch. "Ein verfaulter Körper wird durch einen strahlenden Geist nicht im geringsten ästhetischer gemacht. Was das griechische Schönheitsideal unsterblich sein läßt, ist die wundervolle Verbindung herrlichster körperlicher Schönheit mit strahlendem Geist und edelster Seele."
In Mein Kampf folgt gleich auf eine Passage über den Kampf gegen die Syphilis eine Abhandlung über die geistige Prostitution des Kubismus, Dadaismus und Futurismus. Hitler sieht in der modernen Kunst nur Schweinerei. Hinter seinen Schimpfwörtern steht eine typische Logik, in welcher der Schmutz der bolschewistischen Kultur schließlich das deutsche Volk vernichtet, und zwar mit Absicht. Das Übel wird immer schlimmer: "Schmutz, Besudelung, überall stoßen wir auf Keime, Infektion, krankhafte Wucherungen, Mißgeburten, verkommene Menschen, Halluzinationen von Geisteskranken, Zersetzung unserer allgemeinen Kultur, Kulturschande, innerer Zerfall, geistiger Wahnsinn, Verprostituierung der Kunst" und schließlich "die Vergiftung des gesunden Instinktes unseres Volkes".
Der Schmutz der entgleisten Kunst säht Tod und Verderben unter die germanischen Menschen. Die schmutzige Kunst macht sie kränker, niedriger, wollüstiger usw.; die saubere Kunst macht sie besser, reiner, höher usw. Dem Volke widerfährt die Kunst und es ist nicht imstande, selbst zu urteilen. Kunst zieht das Volk entweder herunter oder erhöht es. Im Verhältnis zur Kunst ist der Mensch daher immer krank. Der Mensch ist im Hinblick auf das Kunstwerk nur zu fiebrigen Halluzinationen imstande. Die Verführung kann in der Genesung inszeniert werden. Die Schönheit ist dadurch auch ein Traumzustand par exellence. Das Sehen, Erleben, Fühlen, Erfahren eines Kunstwerks läßt den Betrachter wie in einen Traum geraten. Das Kunstwerk überwältigt ihn, spricht zu ihm, läßt ihn bereits etwas von der Ewigkeit erleben, die vollkommene Harmonie, das Nichts und das Alles, die pure Ekstase. Jedes Gefühl für Wirklichkeit geht verloren, denn jeder Gedanke, der durch das Kunstwerk gekitzelt wird, ist einer an verbotene Dinge. Aus dieser Verwirrung kann er nur auf Befehl des Führers zurückkehren, der, durch die Vorsehung geleitet, weiß wo er hin muß (irgendwo beschreibt sich Hitler selbst als "Schlafwandler"). Die schöne Kunst dient der Gesundheit. Schönheit steht im Dienste des Körpers. Das sinnliche Erleben hat immer körperliche Wirkungen, aber im Rahmen der Schönheit sind diese Nebenwirkungen kein Ziel, sondern Heilmittel. Für Hitler bedeutet diese Asthetik vor allem eine Stärkung seines Willens. "Dem verdanke ich, daß ich hart geworden bin und hart sein kann" (die phallisch Eingestellten werden dieses Zitat auf ihre Weise interpretieren). Gesunde Kunst, von welcher positive Wirkungen ausgeht, ist immer faschistisch, in welcher Gestalt sie sich auch präsentiert. Es ist immer der Tod, der das Glockenspiel der Schönen Künste bespielt.
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Die Idee der sauberen Kunst bildet sich im Kampf gegen die inzestuösen Verlockungen und ist daher eine inzestuöse Kopiermaschine. Die Frage für den historischen Antifaschismus war, wie diese fatale Vervielfältigungsmaschine angehalten werden kann. Der Antifaschismus hatte keine Bedenken gegen die Schmutzigkeit der bolschewistischen Kultur. Er hat auch die Kunst nicht als Wundermittel gegen die Reaktion eingesetzt. Die Antifa-schisten agierten lieber konkret als kulturell, und, erhaben oder nicht, ihre Kunst war per Definition antifaschistisch. Hitlers Bewegung war schädlich für die Volksinteressen und ihr Großer Verführer war selbst krank. Die Antwort, die Wilhelm Reichs Sexpol gab, scheint zutreffend. Er entlarvte die Wirkung des Unbewußten als die Kraft, die das Gefühl und den Verstand rückkoppelt, sodaß Rausch und Verführung auftreten. Diese Ekstase ist unpassend, so Reich, denn sie soll innerhalb der Ufer der Sexualität bleiben. Einmal dort herausgetreten ist sie ungesund, pervers, schädlich und politisch verhängnisvoll. Die Ekstase kann nur überlaufen, wenn der Sex behindert wird, durch schlechte Unterkunft, rigide Moral, Tabuisierung von Präservativen oder anderem Aufklärungsmaterial. Daher predigt Reich auch den sauberen Sex des gesunden Orgasmus, dann bleibt die Ekstase auf den weichen Daunen lokalisiert und braucht daraus nicht losgerissen zu werden, um in der Welt des Elends und der Armut herumzuirren.
Doch auch Reich gerät in Verführung durch das Kunststück, das er zuwege bringen will. Er will die Menschheit von einem ödipalen Drama erlösen, das außerhalb der Einbildung nie stattgefunden hat. Er folgt einem paranoiden Parcours; er unterstellt eine Wirklichkeit, die es nicht gibt, und richtet die Wirklichkeit darufhin darin ein. So verändert sich die Wirklichkeit in eine sexuelle Einrichtung, aus der alles Übel, alle sexuelle Schmutzigkeit verbannt ist. Reich knüpft an seine Therapie die paranoiden Erwartungen, daß nicht nur der Faschismus durch gesunde Orgasmen verhindert werden kann, sondern auch Herz- und Gefäßkrankheiten, Krebs, Schizophrenie und Rheuma. Auch Reichs ödipales Kunstwerk stellt die Schönheit in den Dienst der Gesundheit; er kämpft gegen die Perversionen, die verdrehter Sex hervorruft. Daß (darum) Reichs Therapie nichts taugt, ist gleichgültig. Man muß ihm zubilligen, daß er sich nicht bewußt ist, daß er befangen bleibt in der fatalen Verbindung von Schöheit und Perversion.
Das gesunde Denken von Reich setzt sich in unserer Zeit in der Heilslehre des New Age fort. Der antifaschistische Kontext hat der Arbeit an den eigenen Hemmungen und Blokaden Platz gemacht. Er hat sowohl kosmische und holistische Prätentionen, als auch individuelle Anwendungen, bei denen sich alles um Glück und Erfolg dreht. Das gesunde, energische, dynamische, aufgeweckte Leben ist dessen Ausdruck. Sogar Krankheit wird positiv gemacht, indem sie zum Teil des Heilungsprozesses durch den eigenen Willen gemacht wird; man ist nicht krank, weil es einem widerfährt, sondern weil man es unbewußt wollte, und im Prinzip ist das gut so und man muß sich dem hingeben, um daraufhin etwas dagegen tun zu können. So macht der persönliche Allergiemix klar, welche individuellen Kennzeichen der eigene Körper hat. Glück ist immer das eigene Glück. Schönheit ist im New Age ein äußerliches Vorzeigen der visuellen positiven Ausstrahlung. "Ich fühl' mich schön, ich bin schön, alles ist schön." Diese Schönheit ist in der westlichen Welt in hohem Maße künstlich und fragil. Auf Reisen, im Milieu der Natur, trifft man noch die pure Schönheit der ungekünstelten Einfachheit an, die eine nostalgische Sehnsucht nach einer elementaren Harmonie hervorruft. Gegenwärtig ist diese nur noch in entlegenen Winkeln der Dritten Welt anzutreffen. Hinter Elend und Armut verbergen sich positive Werte, von denen wir etwas lernen können.
Innerhalb des positiven Denkens ist der Schmutz unerträglich und wird getrennt eingesammelt. Die Einfachheit ist das Restprodukt, das von allem sie umgebenden Plunder befreit ist: "Verbessert die Welt, beginne bei deinem eigenen Schmutz." Das negative Denken operiert innerhalb des undeutlichen Gebiets der unvermeidlichen Vermischung von Schmutzigkeit und Schönheit. Darinnen ist nichts sicher und alles ist vage. Für das positive Denken ist dies das Übel und die Geisteskrankheit par exellence. Keine ausgesprochenen Meinungen oder Gefühle, die Weigerung, diese selbst haben zu wollen, ist ein Zeichen von psychischer Unreinheit durch eine unverantwortliche Vermischung von Grenzen, die nirgendwohin hin führt. Das negative Denken fühlt keinen Drang, sich für kranke Kunst stark zu machen. Das negative Denken läßt sich per Definition nicht fest-legen, es ist immer etwas nicht, steht immer neben dem Gegenteil oder behauptet es mit großer Geruhsamkeit, es ist das abtrünnige Denken, das nichts taugen will und dem eine gewisse Inkonsequenz nicht abgesprochen werden kann. Frage das negative Denken nie, wofür, sondern einzig wogegen es ist, denn es ist für nichts und gegen alles und jeden.
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