Mit diesem größten Düsseldorfer Bauvorhaben
der achtziger Jahre, das etwa eine Milliarde DM verschlingt [921], ist die Idee verbunden,
die Innenstadt nach Osten hin, Richtung Oberbilk, zu öffnen. “
Bis dahin war dieses älteste und bekannteste Industrie- und
Arbeiterviertel Düsseldorfs durch die Bahntrasse von der
Innenstadt so gut wie abgeschlossen. Dies war kein Zufall,
sondern eher Programm: Düsseldorf hat sich schon in der
Industrialisierungsphase nicht als Industriestadt verstehen
wollen. ”[922] Die ‘Abgeschiedenheit’
Oberbilks hatte bislang zur Folge, daß es ‘hinter den Gleisen’
fast ausschließlich billige Altbauwohnungen gibt. Nun wirkt hier
der neue Bahnhof mit seiner Ost-Öffnung wie ein Magnet auf
Handels- und Verwaltungsbetriebe. Neue Ansiedlungen von
Unternehmen werden durch weitergehende städtische Planungen, wie
dem Internationalen Handelszentrum (IHZ) [923], gefördert.
Für die ‘Ost-Öffnung’ werden 82 Wohneinheiten abgerissen [924] und etliche
ArbeiterInnenwohnungen zugunsten zahlungskräftiger Angestellter
modernisiert. Oberbilk wird das neue Betätigungsfeld von
SpekulantInnen.
Das scheint auch notwendig zu sein, denn im Mai 1981 wird das
STEP-U offiziell für gescheitert erklärt. [925] Ausgesprochen selbstkritisch gesteht
Planungsamtsleiter Kurt Schmidt ein, daß insbesondere bei der
BürgerInnenbeteiligung Fehler gemacht wurden. Als einen
gravierenden Fehler bezeichnet er, daß “ durch die vielen
betont ‘schön’ gestalteten Pläne (...) private Investoren
auf den Stadtteil gerade aufmerksam gemacht wurden. ”[926]
Das Ende des STEP-U bedeutet jedoch nicht das Ende der
Stadtteilentwicklungsprogramme. Bereits ein Jahr später beginnt
eine ähnliche ‘Stadtteilaufwertung’ unter dem Planungstitel
‘Gebietsbezogenes Programm wohnumfeldverbessernder Maßnahmen’
für die südliche Innenstadt. Die Fehler des STEP-U, besonders
bezüglich der BürgerInnenbeteiligung, sollen sich nicht
wiederholen. Am 28. Oktober 1982 beschließt der Stadtrat “ dem
gebietsbezogenen Programm wohnumfeldverbessernder Maßnahmen
grundsätzlich zuzustimmen. ”[927]
Mit diesem Beschluß stellt er “ die Weichen für
umfangreiche Planungs- und Baumaßnahmen in den aus der
Gründerzeit stammenden Stadtteilen südlich der Innenstadt
(Oberbilk, Friedrichstadt und Unterbilk) sowie den an den
Südpark nach Wersten angrenzenden Gebieten und der neuen
Siedlung Wersten West. ”[928]
In seiner Laudatio über die abgeschlossenen Baumaßnahmen
beschreibt das Planungsamt 1992 die BürgerInnenbeteiligung
folgendermaßen: “ Während der Planungs- und
Ausführungsphase wurde mit der geschilderten
Öffentlichkeitsbeteiligung versucht, aufkommende Probleme mit
Bürgern frühzeitig und direkt zu erörtern und gegebenenfalls
auch durch Umplanungen für schnelle Abhilfe zu sorgen. Eine
Vielzahl von Bürgerwünschen und Anregungen konnte so planerisch
berücksichtigt und häufig auch realisiert werden. (...) Man
kann davon ausgehen, daß die Bürger die Straßenraumgestaltung
vor ihrer Haustür positiv angenommen haben. ”[929]
Daß die BürgerInnenbeteiligung nicht so positiv und frühzeitig
war, wie sie von der Stadt beschrieben wird, zeigt sich während
einer BürgerInnenanhörung zum IHZ im Jahre 1990, auf der ein
empörter Anwohner das Planungsmodell zertrümmert und “ Bau-
und Planungsdezernent Dr. Hans Küppers (...) mehrfach von
aufgebrachten Bürgern niedergeschrien [wurde], die sich
über den geplanten Abriß von 199 Wohneinheiten an der Kölner-
und Eintrachtstraße empörten. ”[930]
Ende der achtziger Jahre wird die Stadt Düsseldorf mehrfach für
ihre “ Beispiele zur Veranschaulichung naturräumlicher
Zusammenhänge, zur Verbesserung der Stadtgestalt und (...)
städtebauliche Leistungen in Oberbilk und Wersten ”[931] ausgezeichnet.
Das Planungsamt schreibt anmerkend dazu, daß die “Verbesserung
des Stadtbildes und private Investitionen an der Wohnsubstanz
(...) unstrittig Verbesserungen der Wohnqualität in den
einzelnen Stadtteilen bewirkt [haben]. Insbesondere in
Straßenabschnitten, in denen Anliegerbeiträge erhoben werden
mußten, wurden allerdings auch Mieterhöhungen bekannt. Das hat
zu Befürchtungen geführt, nach dem Abschluß von
Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen würde ein Verdrängungsprozeß
der in den Wohnquartieren ansässigen älteren Menschen und
Familien mit Kindern erfolgen. Der Ergebnisbericht einer
verwaltungsinternen Untersuchung aus dem Jahre 1989, die die
sozialen Folgen von Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung in
Oberbilk untersuchte, konnte diese Vermutung jedoch nicht
bestätigen. ”[932]
Daß diese Untersuchungen falsch sind, oder gezielt falsch
erstellt wurden, darüber können auch die ‘Sonntagsreden’
der StadtplanerInnen nicht hinwegtäuschen. Die neueste in
Oberbilk durchgeführte Untersuchung [933] zeigt, daß die gewachsene Sozialstruktur
des Stadtteils zerfällt. [934]
“ Wo zuvor Gastarbeiter, Arbeitslose, Sozialhilfe-Empfänger
und junge Menschen in der Ausbildung eine Chance hatten, kommen
Leute mit anderem Lebensstil und anderen Konsumeigenschaften.
Diese ‘neuen Städter’ finden die innenstadtnahen Wohnungen
plötzlich interessant, lieben einen anderen Lebensstil, neue
Kneipen und kulturelle Einrichtungen. ”[935] Doch nicht nur in Oberbilk ist
diese Veränderung zu beobachten. In allen von den Planungen
betroffenen Stadtteilen vollzieht sich eine ‘gentrification’,
also ein “ qualitativer Bevölkerungsaustausch, Vertreibung
von angestammter BewohnerInnenschaft aus einem City-Randgebiet
zugunsten von Konzernverwaltungen, Fotostudios, Werbeagenturen
usw.; Umwandlung von Wohnraum in Eigentumswohnungen für
Film-Yuppies und erste Adressen für kreative Dienstleistungen. ”[936]
[921] Alleine für die Stahlplastiken von Horst Antes, der
sich weigert ihren Inhalt zu deuten, zahlt die Stadt
schulterzuckend 2 Millionen Mark, vgl. ebenda, S. 119 ff.
[922] Ebenda, S. 217.
[923] Vgl. C. IV. 2.6 (Das Internationale Handelszentrum
(IHZ)).
[924] Sitzungsbericht des APS vom 6.12.90 , S. 6.
[925] RP, 9.5.81.
[926] Planungsamtsleiter Schmidt, in: RP, 9.5.81.
[927] Landeshauptstadt Düsseldorf, Beiträge zur
Stadtplanung und Stadtentwicklung, Nr. 5,
S. 10.
[928] Ebenda, S. 10.
[929] Ebenda, S. 70ff.
[930] RP, 27.4.90.
[931] Landeshauptstadt Düsseldorf, Beiträge zur
Stadtplanung und Stadtentwicklung, Nr. 5,
S. 70 ff.
[932] Ebenda, S. 87.
[933] Bei einer Untersuchung von 355 Oberbilker Haushalten
stellt Dr. Martina Fuchs vom Geographischen Institut der
Heinrich-Heine-Universität fest, daß 13% der Wohnungen ‘Pioniere’
(18- bis 35 jährige mit einem Netto-Einkommen von höchstens
2.500 Mark, meist unverheiratet, mit Abitur) und 7,3% ‘Gentrifiers’
(26- bis 45 jährige mit einem Netto-Einkommen über 2.500 Mark,
leben in Ein- bis Zwei-Personen-Haushalten) bewohnen, vgl. WZ,
26.10.95.
[934] Achten, U. (Hrsg.), Düsseldorf zu Fuß, S.219ff.
[935] WZ, 26.10.95.
[936] “ Die hübsch begrünten, endlich
verkehrsberuhigten Straßen sind auch wirklich ‘ruhig’, aber
da, wo jetzt Kinder spielen könnten, ohne Angst überfahren zu
werden, wohnen heute ‘Dinkis’ Double income, no kids - gut
verdienende Paare, ohne Kinder ”, Terz, 4/92,
S. 26 ff.