2.5 Die ‘Städtebauliche Neuordnung südlich des Landtages’

Die Planungen zur ‘Städtebaulichen Neuordnung südlich des Landtages’ können nicht losgelöst von den Planungen zum Bau des Rheinufertunnels betrachtet werden.
Schon seit 1978, im Zusammenhang mit der Planung des neuen Landtages, ist die Tieferlegung der Rheinuferstraße im Gespräch. Jedoch ist die Finanzierung dieses Projekts bis Mitte 1986 ungeklärt. Erst zu diesem Zeitpunkt stellt das Land NRW eine Mitfinanzierung für die Jahre 1989 bis 1994 in Aussicht. [1458]
Nun beginnt das städtische Planungsamt recht zügig mit den Planungsarbeiten. Im März 1987 beschließt der Planungsausschuß eine BürgerInnenbeteiligung in Form einer Ausstellung mit begleitenden Vorträgen. Im Rahmen dieser Planungen werden auch Empfehlungen für die Gestaltung der Gegend ‘Südliches Tunnelende und Südbereich’ ausgesprochen. Dabei wird vor allem auf die Chancen hingewiesen, zu einer “Erhöhung der Wohnqualität in Bilk [1459] zu kommen. Geschehen soll dies u.a. durch eine “Wohnumfeldverbesserung und Verkehrsberuhigung [1460] sowie durch die “Reduzierung des sehr hohen Defizits an nutzbarem Freiraum [1461] in Unterbilk und Bilk. Schließlich werden auch längerfristige Perspektiven für den Stadtteil erläutert: “Im Bereich des Landtags und entlang des nördlichen Hafenbereichs ergeben sich städtebauliche Entwicklungschancen, die diesen Bereich langfristig aufwerten. Parallel zu dieser Aufwertung sind die Sicherung der sozialräumlichen Beziehungen und der Schutz der Bilker Wohnbereiche vorrangig .”[1462]
Hier beginnt die eigentliche Geschichte des Planes ‘Städtebauliche Neuordnung südlich des Landtages’.
Am 31. Mai 1989 findet eine ‘Anhörung im Rahmen der BürgerInnenbeteiligung’ statt, auf der die Verwaltung ihre Vorstellungungen von der Umgestaltung des Planungsgebietes präsentiert. Inwieweit die zahlreichen Einwände der anwesenden BürgerInnen gegen

von der Verwaltung in der Folgezeit berücksichtigt werden, bleibt fraglich. Angesichts des offenkundigen Willens des Planungsamtes, die Planungen ohne größere Änderungen ‘durchzuziehen’, erscheint die ‘BürgerInnenanhörung’ vielen betroffenen BürgerInnen nur noch als bloße Formsache. [1463]
Auf die Anhörung folgt ein städtebaulicher Ideenwettbewerb. Gesucht werden Planungsentwürfe, in denen - auf der Grundlage einer Vorgabe durch das Planungsamt - verschiedene Variationen der Neugestaltung des Gebiets erarbeitet werden sollen. Am 29. Mai 1990 werden die besten drei Entwürfe von einem Preisgericht ausgewählt und die jeweils verantwortlichen Ingenieur-Innen/ArchitektInnen mit einem Preisgeld von maximal 50.000 DM ‘belohnt’. Den ersten Preis erhält ein Entwurf, der im wesentlichen folgende Bebauung vorsieht:

Allen Entwürfen ist gemein, daß in ihnen der Bau von mindestens einem Hochhaus vorgesehen ist. [1465] Ebenfalls geplant ist der Abriß etlicher Wohnhäuser am Lahnweg, an der Brückenstraße [1466] und der Neusser Straße. [1467] Dem zuvor versprochenen ‘BürgerInnenpark’ kommt jetzt nur noch eine untergeordnete Bedeutung als grüner ‘Abstandhalter’ zwischen Büros, Hochhäusern und Landtag zu. Das muß auch der Ausschuß für Planung und Stadtentwicklung (APS) zugeben, ohne jedoch grundsätzlich etwas an den Planungen zu ändern. [1468]
Langsam formiert sich der Widerstand der AnwohnerInnen gegen die städtischen Planungen. Im August wird die BürgerInneninitiative ‘Unterbilk Uns’ gegründet. [1469] Einen vorläufigen Erfolg kann die Initiative verbuchen, als nacheinander die Bezirksvertretung 3 (am 18.09.1990) und der Planungsausschuß (am 04.10.1990) - nicht zuletzt wegen der guten Verbindungen zur SPD-Ratsfraktion [1470] - jeweils ähnlichlautende Anträge, die einige der Forderungen von ‘Unterbilk Uns’ beinhalten, mit knapper Mehrheit verabschieden. [1471]
Vor allem der Beschluß des Planungsausschusses wird jedoch von der zuständigen Behörde - dem Planungsamt - faktisch negiert, indem kurz darauf ein überarbeiteter Entwurf in den Ausschuß zurückgegeben wird, der von den Vorgaben des kurz zuvor von PolitikerInnen gefaßten Beschlusses nicht mehr viel übrig läßt: Begründet mit angeblichen planerischen und gestalterischen Notwendigkeiten sind im neuen Entwurf des Amtes nun wieder zwei Bürohochhäuser mit jeweils 80 bis 90 Meter Höhe zu finden. Auch die Planungsvorgabe von maximal 10.500 qm neuer Bürofläche wird erheblich überschritten. [1472]
Ganz offensichtlich wird gegen die Interessen der Menschen im Stadtteil geplant. Das Anliegen der StadtplanerInnen und vieler PolitikerInnen liegt auf der Hand: Im Planungsgebiet soll ein Maximum an Bürofläche für (überwiegend) Dienstleistungsunternehmen geschaffen werden. Bezahlbarer Wohnraum, das Wohnumfeld und die damit verbundene Lebensqualität für die Stadtteilbevölkerung spielen bei diesen Überlegungen nur eine untergeordnete Rolle. “Die Folgen für die Bevölkerung Unterbilks (...) sind verheerend: In den Hochhäusern sind ausschließlich Büros untergebracht. Büros bedeuten Angestellte, [die] in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen wollen - der Druck auf bereits jetzt zu wenige Wohnungen wird noch stärker, die Wohnungen werden als Mangelware noch teurer. (...) Der Verkehr wird noch dichter, obwohl schon jetzt die Verkehrsbelastungen für die AnwohnerInnen unerträglich sind .”[1473]
Die erhebliche Kritik der (Unter)Bilker BürgerInnen an dem Gebaren des Planungsamtes weist Amtsleiter Schmidt während eines weiteren ‘Erörterungstermins im Rahmen der BürgerInnenbeteiligung’ am 9. Januar 1991 weit von sich. Daß die Veranstaltung ohnehin nur der Bekanntmachung der neuesten Pläne der Verwaltung dient, wird den Anwesenden klar, als sie von der Frist erfahren, die ihnen für ‘Änderungswünsche und Gegenvorschläge’ bleibt: genau fünf Tage. [1474]
Auf der APS-Sitzung am 30. Januar 1991 einigen sich die Fraktionen von CDU, SPD und Grüne in nichtöffentlicher Sitzung auf ein Bürohaus von 14.000 bis 20.000 qm Bürofläche, das auf dem Tunnelmund entstehen soll. Die von der Bezirksvertretung 3 vorgeschlagene Höhe von maximal 45 Metern weist Planungsamtschef Schmidt mit den Worten zurück, ein 70 Meter hohes Bürogebäude sei nicht nur aus gestalterischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen optimal. [1475]
Am 17. September 1991 - nur neun Monate nach ihrer Zustimmung zum Tunnelmund-Hochhaus im APS - erklären die Grünen im Rat, daß die Genehmigung eines Hochhauses auf dem Tunnelmund weitere Büro- und Hochhausbebauungen nach sich ziehen wird. “Somit wird der Stadtteil Unterbilk von der sozialen wie von der städtebaulichen Struktur her zerstört werden (...) Die ursprüngliche Zielsetzung, durch die Tieflegung der Rheinuferstraße an dieser Stelle eine Wohnumfeldverbesserung für den durch den Autoverkehr hoch belasteten Stadtteil zu schaffen, wird nun ad absurdum geführt .”[1476]
Wenige Monate später wird auf Grundlage der Beschlüsse von APS und Stadtrat der Bebauungsplan rechtskräftig, der Folgendes vorsieht:

Es ist klar, daß damit ein Großteil der ursprünglichen Planungen realisiert werden wird. Im Herbst 1995 befindet sich das 70 Meter hohe Hochhaus auf dem Tunnelmund - auch ‘Tor zur Stadt’ genannt - im Bau. Die InvestorInnen sind zufrieden und die Büros bereits zu 40 % vermietet. [1479]
Am 15. März 1990 wird übrigens mit dem Bau des Rheinufertunnels begonnen. [1480] Bereits bei Baubeginn ist klar, daß die ursprünglich anvisierten Bau-kosten von 383 Millionen DM deutlich überschritten werden. [1481] Nach fast vier Jahren Bauzeit wird der Tunnel schließlich am 11. Dezember 1993 offiziell eröffnet. [1482] Allerdings wird bis zur teilweisen Fertigstellung der neuen Rheinuferpromenade über dem Tunnel noch ein weiteres Jahr vergehen. Die endgültigen Baukosten liegen bei rund 600 Millionen DM. Der städtische Anteil - offiziell 10 % - beläuft sich nach inoffiziellen Schätzungen [1483] auf 100 Millionen DM.


[1458] Vgl. Planungsdezernat, Düsseldorf an den Rhein, S. 2.
[1459] Ebenda, S. 10.
[1460] Ebenda, S. 10.
[1461] Ebenda, S. 10.
[1462] Ebenda, S. 10.
[1463] Vgl. Brief AWAL, 12.6.89.
[1464] Vgl. APS, Wettbewerb, 2.8.90, S. 4.
[1465] Im Gespräch ist zu einem späteren Zeitpunkt sogar die Errichtung eines 140 Meter hohen Luxus-Hotels, für das sich u.a. Oberstadtdirektor Karl Ranz (SPD) “starkt macht: ‘Wenn der Investor diesen Plan vorlegt, werden wir dieses Projekt ernsthaft prüfen und den entsprechenden Gremien vorlegen’” , Express, 24.8.90.
[1466] Allein an diesen beiden Straßen sollen 64 Wohnungen abgerissen werden, vgl. RP, 31.1.91.
[1467] “Allein der notwendige Abriß von 4 - 7 Wohnhäusern, bedingt durch den Hochhausbau, ist ein nicht zu unterschätzender Problemfaktor” , APS, 4.10.90, S. 14.
[1468] “Für den Nordbereich (...) [ergibt sich] ebenfalls eine politische Konfliktsituation: An die Stelle des den Bürgern versprochenen möglichst großen Landschaftsparks ist nun in Teilen ein großzügiges, begrüntes und mit Hochhäusern besetztes Stadtplateau getreten”, ebenda, S. 14.
[1469] Vgl. Kap. C. IV. 3.2 (Unterbilk Uns!)
[1470] Vgl. SPD-Änderungsantrag, APS, 2.10.90.
[1471] Vgl. Ausstellungsmappe Neusser Str. 65, Febr. 1991.
[1472] Vgl. ebenda.
[1473] Enke, M., (Die Grünen Düsseldorf) in: ebenda.
[1474] Vgl. ebenda.
[1475] “Im übrigen meint er: ‘Ein schlanker und hoher Turm wirkt allemal besser als ein kurzer dicker’”, RP, 31.1.91.
[1476] Grüne, 17.9.91.
[1477] Ein Großteil der Fläche soll als Büroraum vermietet werden, ein Teil wird u.U. von einem Hotel und Ladengeschäften belegt. Wohnungen sind nicht vorgesehen, vgl. Gespräch Guido Köhler (Ex-Ratsmitglied der SPD und ‘Unterbilk Uns’), 8.11.95.
[1478] Die Abbruchgenehmigung der Denkmalschutzbehörde liegt der Stadtverwaltung bereits vor. Nach dem B-Plan ist dort eine Grünfläche vorgesehen, vgl. ebenda, 8.11.95.
[1479] Vgl. NRZ, 1995 (genaues Datum unbekannt; Artikel liegt Verfassern vor).
[1480] Vgl. Trudewind, A., Düsseldorf 1945-1994, S. 162.
[1481] Vgl. Planungsdezernat, Düsseldorf an den Rhein, S. 14.
[1482] Vgl. Trudewind, A., Düsseldorf 1945-1994, S. 202.
[1483] Vgl. Auskunft Die Grünen im Rathaus , Fraktionsmitarbeiter Georg Schumacher, Jan. 1995.


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