»Die Ausnahme und die Regel« |
Luc Jochimsen
Die Geschichte des Hauses Schillerstr. 32 in Berlin und ihr Nutzen für die allgemeine Wohnungspolitik |
Eine Meinung über die Ursache der Wohnungsnot - und eine Frage nach ihrer Lösung:
»Wir leiden, nach meiner tiefsten Überzeugung, in der Hauptsache in unserem Volk an der falschen Bodenpolitik der vergangenen Jahrzehnte.(Konrad Adenauer als Kölner Oberbürgermeister in den 20er Jahren, zitiert nach FRANKFURTER RUNDSCHAU, Seite 3, 28. 2. 1981)
»Wie ist nun die Wohnungsfrage zu lösen? In der heutigen Gesellschaft gerade wie eine jede andere gesellschaftliche Frage gelöst wird: durch die allmähliche Ausgleichung von Nachfrage und Angebot, eine Lösung, die die Frage selbst immer wieder von neuem erzeugt, also keine Lösung ist.«(Friedrich Engels, ZUR WOHNUNGSFRAGE, MEGA Band 18, Seite 226, 1872 zitiert nach Renate Petzinger/Marlo Riege, DIE NEUE WOHNUNGSNOT, VSA-Verlag, Hamburg 1981)
Berlin, 13. Februar 1981, ein Freitag.
Im Rathaus Charlottenburg findet eine öffentliche Submission statt. Das heißt im 3. Stock und am Ende eines Labyrinthes von vielen Gängen, in der Abteilung Stadtplanung, treffen sich ein paar Männer mit einem Beamten.
Die Männer kommen von Abbruchfirmen. Sie haben Angebote dabei. In verschlossenen Umschlägen. Der Beamte sammelt die Umschläge ein, öffnet sie akkurat, ruft einem Protokollanten Zahlen zu, die jener fein säuberlich untereinander aufschreibt: Preise für den Abbruch eines Hauses. Ein Haus soll nämlich »öffentlich abgeräumt« werden. Das Haus Schillerstraße 32.
3 Stockwerke, 8 Dreizimmerwohnungen, ein Laden. Muschelbögen über den Fenstern, Balkons. Bunte Glasfenster im Treppenhaus, Stuck an den Decken, Kachelöfen mit schwungvollen Kronen. Das Haus, Baujahr 1874, in dem eine Wohnung zur Zeit knapp 200 DM kostet (3 Zimmer, Küche, Diele, Ofenheizung, kein Bad), soll abgerissen werden, damit an seine Stelle ein Neubau im öffentlich geförderten Wohnungsbau entstehen kann, in dem der Quadratmeter 13 Mark kosten wird.
Nun werden die Zahlen miteinander verglichen. Die Spielregeln sind klar und allen Anwesenden bekannt: Die Firma mit dem niedrigsten Gebot bekommt den Zuschlag. Schließlich muß die öffentliche Hand ja Geld sparen, wie wir alle wissen. Die Entscheidung ist ganz einfach: Das Angebot der Firma M&L ist eindeutig das niedrigste. Der Beamte gibt den Anwesenden die Entscheidung bekannt: Die Firma M&L hat die öffentliche Abriß-Ausschreibung gewonnen.
Der Firmenvertreter guckt auf die Uhr, sagt, dann bekämen die wartenden Arbeiter heute ja noch direkt was zu tun. Da erwidert der Beamte: »Moment mal, so schnell geht das nicht, ihr müßt ja erstmal die Abrißgenehmigung für das Haus haben. Von mir bekommt ihr nur die Zusage, daß, wenn die Genehmigung vorliegt, die Firma M&L den Abriß durchführen kann.« - »Na, wir werden sehen«, sagt daraufhin der Bauführer der Firma MAL und geht. Und die anderen Abbruchfirmenleute gehen auch.
Der Beamte macht eine Notiz über den Ausgang der »Öffentlichen Submission«. Die Akte des Hauses Schillerstraße 32 ist um ein historisches Datum reicher geworden.
Die Akte des Hauses Schillerstraße 32 beinhaltet nämlich folgende wohnungspolitische Geschichte:
Ein Haus mit zehn vom Krieg unzerstörten Altbauwohnungen in bester Stadtlage - die Oper 300 m weiter. Keine Kriegsruine. Kein Prachtbau. Ein solides Haus mit mittelgroßen Wohnungen in guter Lage.
Das Haus wird verwaltet, und natürlich wird Miete kassiert. Ein Mieter, der diese ganze Zeit miterlebt hat, erinnert sich:
»Kein Meter Farbe wurde frisch gestrichen, nichts. Nur, was die Mieter selbst gemacht haben. Allerdings, wenn ein Rohrschaden war, das wurde sofort repariert - und eine Hausreinigung gab es auch.«
Das Haus Schillerstraße 32 geistert von Anfang seiner »öffentlichen« Geschichte an als Abbruchhaus durch die verschiedenen Verwaltungsakten. Nie steht so richtig fest, was an seine Stelle kommen soll: mal ein Parkhaus, mal ein anderes öffentliches Gebäude, mal doch vielleicht ein Wohnhaus, dann wieder nichts bestimmtes; aber abgerissen jedenfalls soll es werden. Aber auch nicht sogleich, sondern irgendwann mal - in einer nicht näher durchdachten Zukunft.
Das Haus Schillerstraße 32 in Berlin war um diese Zeit ein Beispiel für zehn von insgesamt 9 Millionen Altbauwohnungen, die der Staat zwangsbewirtschaftet hatte und - ab nun in Privathand oder in öffentlichem Besitz - 20 Jahre lang einfach vernachlässigte.
Hier ein Abriß der wohnungspolitischen Maßnahmen bis Anfang der siebziger Jahre:
1952: Gesetz über die Gewährung von Prämien für Wohnungsbausparer
1953: Wohnraumbewirtschaftungsgesetz
1955: erstes Bundesmietengesetz
1960: Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht
1965: Wohngeldgesetz und Bundesraumordnungsgesetz
1971: Städtebauförderungsgesetz und Kündigungsschutzgesetz.
Diese Zeit markiert den Übergang von einer CDU-Wohnpolitik, die den Altbau vernachlässigte und ein System an öffentlichen Zuwendungen für den Neubau errichtete, welches die Eigenleistung privater Bauherrn (im kleinen den Häuslebauer, im großen die Baugesellschaften) ermutigte (als Folge davon wurden die Städte bis weit in ihr Umland hinein zersiedelt), zu einer SPD/FDP-Wohnpolitik, die die Städte erhalten wollte - und auch ihren alten Baubestand.
In dieser Zeit also wurde das Haus Schillerstraße 32 in Berlin durch die Stadt Berlin verwaltet und vermietet. Immer wieder tauchten in Konzepten verschiedenster Art auch Pläne auf, das Haus abzureißen. Irgendwann wurden die Kompetenzen dann wieder einmal von einer Behörde an die andere gegeben. Ein Gewinn von 128000 DM wurde »gutgeschrieben«. Das müssen die ein Jahrzehnt lang gezahlten Mieten gewesen sein - die einfach einkassiert wurden, ohne auch nur eine Mark davon in das Haus zu investieren.
Mitte der 70er Jahre:
Im Alltag des Hauses Schillerstraße 32 ändert sich nichts. Aber in den Behörden werden neue Pläne entwickelt. Stadt ist ja nun »in« - die Zeit der Märkischen Viertel, Perlach, Steilshoop, Nordweststadt und wie sie alle heißen, gilt als passe, selbst bei den Leuten, die sie in Beton konzipiert und hochgezogen haben. Durch den »Charlottenburger Kiez«, durch dessen Mitte sich die Schillerstraße zieht, wandert ein Architektenteam und überprüft Haus für Haus in öffentlicher Hand - und das sind viele dort. Unter den Kriterien Instandhaltung, Modernisierung, Abbruch wird eine
Bestandsaufnahme gemacht. Mit folgendem Ergebnis für die Schillerstr. 32. Instandsetzung würde (nach fast 20 Jahren Runterwirtschaften in öffentlichem Besitz) 25% des Neubaupreises kosten. Das spricht eigentlich für die Substanz des Hauses. Modernisierung mii Kachelbädern, Heizung, Lift würde, wenn mit dem üblichen Aufwand betrieben, 80% des Neubaupreises kosten. Dann eben lieber gleich Neubau, folgert das absolut objektive Architektengutachten; folgert auch die Wohnungsbaukreditkasse, die in Berlin die Finanzierung solcher Bau- oder Umbauvorhaben durchführt.
Also fällt die Entscheidung für den Abbruch.
Wir schreiben das Jahr 1975. Der Altbau-Boom setzt gerade erst ein. Neubau galt bislang noch als das bessere Geschäft. Es dauert auch noch einige Zeit, bis sich in den Labyrinthen der Behörden etwas tut. Aber dann wird schließlich verkauft. Sie haben richtig gelesen. Die öffentliche Hand, im Besitz eines Innenstadtmiethauses in bester Lage, entschließt sich 1978/79, dasselbe zu verkaufen. An eine Privatfirma, die dieses Haus, wie auch Nachbarhäuser, abreißt, und auf dem Grund und Boden ein neues bauen soll.
Und zu welchen Konditionen? Macht der Staat wenigstens ein Geschäft? Aber keineswegs: Das Haus mit den acht Wohnungen verkauft die öffentliche Hand für 200000 DM (!). Die Privatfirma braucht im übrigen nur 61000 DM zu bezahlen, der Rest geht über einen Kredit. Mit ganzen 60000 DM Eigengeld erwirbt die Firma das alte Mietshaus - alle weiteren Zwischenfinanzierungen und Finanzierungen gehen dann später in den Quadratmeterpreis Kostenmiete im Neubau ein. Wohnen ist halt teuer. Die Leute, die wohnen wollen, müsse sich da mal endlich dran gewöhnen. Wie diese Geschichte beweist.
Der neue Besitzer stellt sich den Mietern vor. Wie das Gesetz es vorschreibt. Zusammen mit den Herren aus der Behörde werden Mieterversammlungen abgehalten. Über Besitzerwechsel und bevorstehenden Abbruch werden die Leute informiert. Es gehört nämlich zu den Aufgaben des Privatunternehmers zu »entmieten«. Allerdings läßt ihn der Staat da auch nicht im Stich. Er hilft mit Sozialwohnungen aus. Jeder Mieter des privaten Abbruchhauses Schillerstraße 32 hat ein Anrecht auf eine Sozialwohnung - da er ja »abbruchgeschädigt« ist. Es gibt sogar noch Umzugsgeld vom Staat und Beihilfen für Möbel, die aus der alten großen Altbaumietwohnung nicht in die kleine Neubauwohnung mitgenommen werden können. Auch das übernimmt die öffentliche Hand noch, um den neuen privaten Besitzer und Bauherrn zukünftiger Wohnungen zu unterstützen.
Der Privatbesitzer tut übrigens auch einiges - das soll gar nicht verschwiegen werden. Er zahlt denjenigen, die nicht auf eine Sozialwohnung warten sollen, weil die Baumaßnahme drängt und es lange Wartefristen für Sozialwohnungen gibt, eine Abfindung und besorgt seinerseits Ersatzwohnraum - meistens in einem seiner vielen, verschiedenen Neubauten, die er bereits auf diese oder ähnliche Weise in Zusammenarbeit mit uns Steuerzahlern errichtet hat.
Einer dieser Abfindungsmieter rechnet vor:
Vorige Miete, kalt, 195 DM für 3 Zimmer. Jetzige Miete, warm, 650 DM für 3 Zimmer.
Abfindung 10000 DM.
Davon: 2000 DM für den Umzug; 3000 DM für Teppichboden und Wasch- und Spülmaschine in der neuen Einbauküche. Bleiben 5000 DM. Damit hat er ein knappes Jahr »Überbrückungsgeld«, um die Differenz zwischen der alten und der neuen Wohnung auszugleichen. Anschließend muß er eben das Dreifache aus der eigenen Tasche zahlen. Natürlich wohnt er komfortabler - mit Teppichboden, Wasch- und Spülmaschine, aber wollte er das auch? Er sagt, er habe keine andere Wahl ... und hat Angst vor den steigenden Nebenkosten für Gas und Strom. Andere Mieter, die die dreifache Miete einfach nicht zahlen können, bekommen Wohngeld - vom Staat, von uns Steuerzahlern.
Also: die öffentliche Hand hat 60000 Mark für ein Mietshaus mit acht Wohnungen bekommen. Darin haben Leute billig gewohnt, benötigten dadurch weder Wohngeld noch sonst eine Unterstützung aus Steuergeldern. Das ist die eine Seite. Nun wirft der Staat Kredite aus, räumt kostbare neue Sozialwohnungen für die damaligen Mieter des alten Hauses, zahlt Wohngeldzuschüsse (hilft dem Privatunternehmer und seinen Tochterfirmen dabei, weniger Steuern zu zahlen - aber davon später), um schließlich auch noch den »öffentlichen Abriß« zu besorgen. Womit wir wieder bei der Geschichte vom 13. Februar wären.
Der Firmenvertreter von »M&L-Abbruch- und Erdarbeiten« verläßt zwischen 9 und 10 Uhr das Bezirksamt Charlottenburg. Zwischen 10 und 11 Uhr erscheint ein Trupp Arbeiter mit Blauhelm und Spitzhacke in der Schillerstraße 32. Da wohnen zwar noch Leute. Im Parterre links der Besitzer des Friseurgeschäftes, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert bereits Mieter in diesem Haus ist. Im ersten und zweiten Stock zwei weitere Mietparteien: zwei Maler, der eine mit Familie. Auch die haben gültige Mietverträge. Nun stürmen die Arbeiter auch nicht die bewohnten Wohnungen. Das nicht. Sie gehen ins Dachgeschoß, das bereits »entmietet« ist, holen Fußbodenbalken heraus und werfen Fensterrahmen auf die Straße. »Öffentlicher Abriß«. Sie machen das, um in der Sprache ihres Chefs zu bleiben, der das später schriftlich so begründet hat: »... weil durch Hausbesetzungen ein Arbeitsmangel eingetreten ist« - und wie es später mündlich hieß, um einer »Hausbesetzung zuvorzukommen«. Die Mieter telefonieren mit dem neuen Hausbesitzer, mit der Polizei. Der neue Hausbesitzer schickt einen Mitarbeiter; die Polizei rät, eine einstweilige Verfügung zu erlangen, dann könne sie einschreiten - vorher nicht. Die einstweilige Verfüghng wird erlangt. Ist ja auch kein Kunststück, es gibt ja - noch - keine Abrißgenehmigung. Die Bauarbeiter ziehen wieder ab. Die Fensterrahmen liegen unten auf der Straße. Die Fußbodenbalken der Wohnungen im 3. Stock und damit die Deckenbalken der Wohnungen im 2. Stock sind rausgerissen.
Die Geschichte des Hauses Schillerstraße 32 scheint ihrem Ende entgegenzugehen. Typisch? Nicht typisch?
Es ist eine seltsame Zeit in Berlin. Hundert Häuser sind besetzt in diesem Februar. Jeden Tag kommen neue dazu. Es herrscht politische Unsicherheit - man könnte auch sagen: neue Sensibilität. Es gibt Tausende und nicht nur »meist jugendliche« Bürger, die einen Satz wie jenen, den die »FAZ« in dieser Zeit gleich in einem Leitartikel mahnend, abdruckt, nicht billigen würden:
»Damit es nicht in Vergessenheit gerät. Es ist das gute Recht eines Bürgers, sein Haus zu vermieten oder nicht zu vermieten, es leer stehen zu lassen oder abzureißen. Wir billigen jedermann zu, mit seinem Geld ein komfortables Auto zu kaufen oder Urlaub auf den Bahamas zu verleben. Warum sollen Hauseigentümer über ihr in Steinen angelegtes Geld nicht ebenfalls frei verfügen können?«
Wie gesagt: Es gibt Tausende, die unter Häusern und Wohnraum einfach nicht nur »in Steinen angelegtes Geld« sehen.
Die Beamten im Stadtplanungsamt bestehen darauf, daß sie nur den Zuschlag zum Abbruch durch die Firma M&L zuerkannt haben. - Das Bezirksamt macht deutlich, daß es ohne Abrißgenehmigung keinen Abriß geben kann. Der neue Hausbesitzer legt Wert darauf, daß er die Abbruchfirma nicht veranlaßt habe, mit dem Abriß des Hauses zu beginnen. Der Boß der Abbruchfirma, ein Mann, der diese Arbeit von der Nachkriegspike auf kennt (er hat bei der Trümmerbeseitigung der Gedächtniskirche mitgearbeitet), bekennt sich schuldig. Aus Arbeitsmangel und um einer weiteren Hausbesetzung vorzubeugen, wie gesagt, habe man schon mal mit den Arbeiten in dem nicht mehr bewohnten Teil des Hauses begonnen...
Die Wende:
Die Geschichte wird von den Zeitungen aufgegriffen.
Der Bezirksbürgermeister - es steht eine Wahl bevor - schaltet sich ein.
Der Senator - es steht eine Wahl bevor - schaltet sich ein. Es wird verhandelt, geredet.
Der Bezirksbürgermeister findet, das Haus sei doch eigentlich in gutem Zustand.
Der Senator findet, das Hausseidocheigentlichinrechtgutem Zustand. Die Leute von der Stadtplanung und der Sanierung meinen,vorzehn Jahrenhätteman»sowas«ebenabgerissen - heute hielten es alle für schön und erhaltenswert. Was sollten sie schon dazu sagen - mit einer Beamtenzukunft von 20 Jahren vor sich? Nach vier Wochen wird eine »politische« Entscheidung gefällt: Das Haus soll nicht abgerissen werden. Diese Entscheidung fällt gleich zweimal. Einmal beim zuständigen Senator - dann aber auch bei jener Stelle, die die öffentlichen Mittel vergibt und finanziert, mit denen Privatleute oder -firmen bauen oder modernisieren. Das bedeutet für die Privatfirma: Mit diesem Haus wird sie kaum das große Geschäft machen können.
Welches Geschäft?
Das Geschäft des »in Steinen angelegten Geldes« wie es in der Sprache der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« heißt. Das Geschäft ist kein Geheimnis. »Auch geht ja alles ganz legal zu, deswegen können die Gewinnspannen auch in den Anzeigenteilen der Zeitungen, Immobilienseiten, offen und fröhlich angepriesen werden: Gewinne 150% - 180% - 195% - ja über 200%!!! Zweimal in der Woche neu, blättern Sie einfach mal durch.
Da gibt es den kleinen, den mittleren und den großen Weg - je nachdem wieviel Geld jemand verdient. Die Zauberformeln dabei heißen:
Abschreibung und Verlustzuweisung - und in beiden Fällen ist gemeint, daß man, anstelle die Steuern zu zahlen, die man entsprechend seines Einkommens zahlen müßte, eben von der Steuer »Geld in Steinen« abzweigt.
Das kann man als sein eigener Bauherr machen.
Original-Text aus der »Welt am Sonntag« vom 19. April 1981:
»So macht Herr K. mit seinem Haus bis 1983 steuerfreie 100000 DM + ein >halbes< Haus dazu!
Wenn Sie von einem jungen Mann hören, der es von Null zu zwei Häusern (steuerfrei) bringt, sind Sie natürlich voller Zweifel. Aber diese Rechnung ist wahr: Herr K. kaufte kürzlich ein älteres Haus. 200000 DM, davon 60000 DM eigene Mittel. Der Umbauplan sieht weitere 200000 DM vor, um das Haus zu modernisieren. Sein Steuerberater machte ihm folgende Rechnungauf,dieaufeinersehr exakten Steuerrechnung beruht. Denn für das Einfamilienhaus (vermietet oder eigengenutzt) gilt: Abschreibung 1981 § 7b = 7500 DM. Nach § 82b = 20000 DM. In der Summe 27500 DM. Das gleiche gilt auch für das Jahr 1982. Macht zusammen 55000 DM. Nach Ablauf des zweites Jahres seit Anschaffung (Spekulationsfrist) sieht die Steuervergünstigung folgendermaßen aus: Abschreibung 1983 nach §7b wiederum 7500 DM und der Rest nach § 82b 160000 DM. Das ergibt zusammen 167500 DM. Bei einem Steuersatz von nur 40% ergibt sich also für 1983 eine Steuerersparnis von 67000 DM, mithin im Extremfall je nach Steuersatz bis zu 100000 DM. Das ist für Herrn K. dann der Grundstock für die Modernisierung eines weiteren Gebäudes.«
Das ist das sogenannte Einzelfallbeispiel. Das ist der kleine Weg.
Nun geht es aber natürlich auch noch lukrativer. Als Mitglied eines schönen Fonds zum Beispiel. Dann läuft es so wie bei dem schon fast sprichwörtlichen Zahnarzt, der ein zu versteuerndes Einkommen von 500000 DM im Jahr hat.
Er müßte eigentlich 280000 DM Steuern zahlen (56% - das ist der Höchstsatz bei uns). Wenn er sich nun entschließt, von seinen ihm verbleibenden 220000 Mark Nettoeinkommen 100000 in den Fonds »Geld in Steine« zu zahlen, erhält er von dort eine Verlustzuweisung von 180% - sprich 180000 DM. Das geht, das heißt, das ist erlaubt, weil der Fonds hohe Werbungskosten geltend machen kann - alle Kosten, die mit der Finanzierung eines Objektes zusammenhängen, mit seiner Zwischenfinanzierung, Vermittlung und Vermietung.
Nun sieht der zahnärztliche Steuerbescheid folgendermaßen aus: 500000 DM Einkommen minus 180000 DM für den Fonds »Geld in Steinen« oder Wohnanlage XYZ macht 320000 DM zu versteuerndes Einkommen. Darauf sind aber nun nur noch rund 180000 DM Steuern zu zahlen - statt vorher 280000 DM. Mit anderen Worten, genau jene 100000 DM, die unser Zahnarzt an den Fonds gezahlt hat, bekommt er jetzt von der Steuer zurück oder muß sie gar nicht erst an die Steuer zahlen. Er hat aber einen Immobilienanteil im Wert... ja, und nun kommt es drauf an, wie stark die Preise steigen. Sein Einsatz ist immer drin. Wahrscheinlicher aber ist, daß die Immobilie im Wert steigt -, und eines Tages kann sie mit gutem Gewinn verkauft werden - steuerfrei.
Das alles aber setzt voraus, daß, ohne groß auf die Verluste zu schauen, gebaut oder modernisiert werden kann - unterstützt von einem Begünstigungssystem des Staates. Und dies wiederum setzt voraus, daß Nachfrage herrscht nach Wohnraum, dem Begriff aus Mietefsicht - wenn der Begriff »Geld in Steinen« von Eigentümerseite benutzt wird. Nun kann man diesen Weg aber auch noch in ganz großem Stil einschlagen. Dann hat man Firmen, die Häuser kaufen und besitzen, andere, die sie modernisieren oder neu bauen, wieder andere, die sie vermieten, verwalten. Die einen Firmen sind an Verlusten interessiert - wie etwa der Fonds unser'es Zahnarztes -, die anderen wiederum sind auf Gewinne angewiesen - wie es in der Sprache des Marktes heißt. Und was die einen verdienen - und zu versteuern hätten - wird durch den Verlust der anderen ausgeglichen - und von der Steuer »gespart« -, das heißt von uns allen mitgetragen.
Das Haus Schillerstraße 32 gehört einer solchen Firmengruppe -, und nun aber - ohne Abrißgenehmigung und ohne Zusicherung des Finanzierungsflusses und all der Subventionsmöglichkeiten durch den Staat bis hin zum Wohngeld für jene Mieter, die einen Quadratmeterpreis von 13,15 oder 18 Mark einfach nicht zahlen können -, ohne alldies war das Haus mit seinen letzten drei Mietern und dem halbdemolierten Dach einfach nicht mehr lukrativ.
Der Besitzer bot es dem Staat zum Rückkauf an. Er, der ganze 61000 DM bisher gezahlt hatte -, machte natürlich eine saftige Rechnung auf und wollte so an die 764160 DM haben für in der Zwischenzeit entstandene Kosten und - entgangenen Gewinn. Ist ja klar - ist im übrigen auch einklagbar. Das ist völlig unstrittig. Schließlich ist das große Geschäft keine Geheimsache und völlig legal. Denn, wenn Sie auch nur Klagen über das mickrige Geschäft mit Bauen und Vermieten hören und lesen, das Gegenteil ist richtig. Zitat aus dem Wirtschaftsteil der »Welt am Sonntag« vom 17. Mai 1981 unter der Überschrift: »Die Lage auf dem deutschen Immobilienmarkt«. »Der Göttinger Betriebswirtschaftler Prof. Ernst Gerth hat in einem Gutachten festgestellt, daß eine durchschnittliche Wohnungs-Immobilie zwischen 1962 und 1979 einen jährlichen Zinsertrag des investierten Kapitals von 9 bis 12 Prozent vor Steuern erbrachte.«
Und:
»Mehr als 8 Milliarden Mark haben deutsche Kapitalanleger allein 1980 in Bauherrenmodelle investiert.« 8 Milliarden DM in einem einzigen Jahr - das spricht für Vertrauen ins Geschäft.
Und das hängt natürlich mit der Nachfrage zusammen. Es gibt so viele Interessenten für Wohnraum, soviel Abnehmer der Ware Wohnung.
Und das wiederum hat viele verschiedene Ursachen. Erstens eine statistische, mit der Bevölkerungsstruktur zusammenhängende Ursache: die geburtenstarken Jahrgänge, die bisher die Kindergärten, die Schulen, die Ausbildungsplätze »überschwemmt« haben und nunmehr Arbeit und Wohnung suchen. Zweitens dann eine regionale, mit unseren Ballungszentren zusammenhängende Ursache: Die Städte sind nämlich seit Jahren - im Gegensatz zum Land - mit Wohnraum unterversorgt. 32% der Bevölkerung leben hier - aber 21% der Neubautätigkeit fand hier statt. Oder wie Mieterpräsident Jahn einmal gesagt hat: »Wenn man jahrzentelang Eigenheime auf dem Land fördert, braucht man sich nicht zu wundern, wenn >plötzlich< Wohnungen in der Stadt fehlen.« Drittens dann eine strukturpolitische, mit dem Verhalten bestimmter Bevölkerungsschichten zusammenhängende Ursache: Es gab nämlich ein Konzept, das sich Wohnungspolitiker und Stadtplaner ausgedacht hatten:
Wer wirtschaftlich gut dran ist leistet sich ein eigenes, modernes Heim. Entweder Bungalow, Reihenhaus oder Eigentumswohnung im Umfeld der Städte.
Wem es wirtschaftlich nicht so gut geht, daß er sich was Eigenes leisten kann, aber immerhin eine gute Wohnung, der zieht ebenfalls in eine moderne, eher teure Neubauwohnung. Wer sich das auch nicht leisten kann, der erhält eine moderne Sozialwohnung.
Und nur, wem es wirtschaftlich schlecht geht, der bleibt in den Altbauwohnungen der Städte. Und genau diesem Konzept folgend ist jahrzehntelang Wohnpolitik gemacht worden - die Altbauten vernachlässigend wurde jede Art von Neubau gefördert.
Und bei der Wirtschaftswunder-Generation und ihren Kindern ist das Konzept ja wohl auch angekommen. Aber danach verhielten sich die Menschen anders als am grünen Tisch geplant. Vielleicht auch, weil der moderne Massenwohnbau, sei es in Form seiner Bungalows von der Stange, seiner Reihenhäuser, seien es die Appartementwohnanlagen und erst recht die Neubauviertel a la Sozialarchitektur, die Leute einfach das Fürchten gelehrt hat. Jedenfalls: Eine sogenannte »Neue Urbanität« setzte ein, ein Hang zum Leben in der Stadt und in alten Häusern. Gerade diejenigen, denen es wirtschaftlich sehr gut oder gut ging, legten ihr Geld lieber in alten Steinen an als in Beton. Allerdings wurde dieser Trend vom Staat gefördert. Ab 1974 war es nicht mehr nötig, in einen Neubau zu investieren, um abschreiben zu können - also Geld für Immobilieneigentum von der Steuer zu »sparen«. Und seit 1978 wurden diese Möglichkeiten noch verbessert. Das Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz zielte genau darauf ab, daß Modernisierungen alter Häuser staatlicherseits gefördert wurden.
Es war die Wohnungspolitik der SPD/FDP, die den Prozeß in Gang setzte, daß es bald lukrativer wurde, Altbauten zu modernisieren als neu zu bauen. Im Kern eine völlig richtige und notwendige Politik, wollte man die Städte retten - wollte man der jahrzehntelangen Zersiedelung Einhalt gebieten. Eine richtige Politik sicher auch, was die Lebensqualität angeht - und eine demokratische Politik, denn sie entsprach den Bedürfnissen vieler Bürger.
Eine richtige Politik mit einem schlimmen Nebeneffekt allerdings: Sie führte zur Verringerung und Vernichtung des billigen Altbauwohnraums.
Hier nur ein paar Zahlen:
Zwischen 1972 und 1980 gingen 600000 Altbauwohnungen verloren - durch Abriß oder auch Zusammenlegung kleinerer Wohnungen in größere.
Auch 300000 Sozialwohnungen, die vor 1964 fertig wurden, (also auch die billigsten), gingen durch Umwandlung in Eigentumswohnungen verloren. In den siebziger Jahren gingen also an die 100000 alte Wohnungen verloren - das ist ein Viertel dessen, was notwendigerweise jedes Jahr neu an Wohnraum hinzukommen müßte. Es ist wie mit der Energie - wenn wir allein sparen würden im Bereich des Vorhandenen, müßten wir gar nicht so viel neu haben!
So. aber fand Erhaltung, Modernisierung, Sanierung ausschließlich auf Kosten des preisgünstigen Wohnraums statt. Die Anhänger der »neuen Urbanität« kauften sich alte Stadthäuser oder Etageneigentum in alten Mietshäusern - und modernisierten diesen Wohnraum.
Oder sie legten zu viert oder sechst die elterlichen Schecks zusammen und zahlten Mietpreise für große Altbauwohnungen, die die Vormieter einfach nicht aufbringen konnten.
Ergebnis: Ein Verdrängungsprozeß in den Ballungsräumen fand statt. Und die wirtschaftlich Schwachen gerieten in das, was man die »neue Wohnungsnot« nennt, die - da haben die Kritiker dieses Begriffes schon recht - mehr ein Ergebnis eines bestimmten, weit verbreiteten Wohlstandes ist als eines allgemeinen Mangels. Aber genau das muß beachtet werden dabei: Nicht allgemein aber für bestimmte Gruppen der Bevölkerung herrscht eben Mangel. Und da helfen die Hinweise auf die Notjahre nach dem Krieg auch nicht weiter. Das ist wie der Vergleich mit der Armut, so als hielte man jemandem mit 500 Mark Einkommen in der Bundesrepublik die Lebensverhältnisse in Indien vor. Not, Mangel, Armut sind stets relativ. In einer Gesellschaft bedeutet eine Handvoll Nahrung, in der nächsten ein Paar Schuhe, in der dritten der Besitz eines Fahrrades Reichtum - bei uns, in einem der reichsten Länder, käme dies alles zusammen einem armen Leben gleich.
Und die Wohlhabenden in diesem Land, die sich über den Begriff »neue Wohnungsnot« mokieren, lassen sich ja auch nicht auf ihren Status von 1947 verpflichten oder gern daran erinnern, daß ohne Zweithaus, Drittwohnung, Autopark und Gewinnen von 180% und mehr ein Leben möglich ist, das immer noch das Leben eines Reichen wäre - auch bei uns. Aber das nur nebenbei.
Zurück zur Geschichte des Hauses Schillerstraße 32 - die zugleich ein Beispiel dafür ist, warum wohnen bei uns so teuer ist und Vermieten ein so prima Geschäft. Also die Mieter des leicht demolierten Hauses bekommen ein staatliches Angebot. Sie können das Haus vom Staat kaufen. Zu den gleichen Konditionen wie der private Abriß- und Bauherr vorher. 60000 DM Eigengeld - der Rest geht über Kredite und wird finanziert. Und die Mieter rechnen und rechnen. 200000 DM für das Haus. 400000 DM für seine Instandsetzung inkl. Einbau von Bädern und Heizung. Da sie aber nicht 60000 DM auf der Hand haben, eben keine Großverdiener sind, die aus Steuergeldern Eigenkapital machen können (sie leben alle von untersten Einkommenssätzen, jobben als Taxifahrer, arbeiten als Künstler), müßten sie alles über teure Kredite finanzieren. Das tun die Fonds, die Bau- und Modernisierungsfirmen schließlich auch, aber die haben ja auch Mieter, an die sie diese Kosten weiter geben können, während die Leute vom Haus Schillerstr. 32, denen eine seltene politische Situation und Sensibilität ausnahmsweise zum Angebot eines alten Mietshauses verhilft, vor allem selbst in dem Haus wohnen wollen, - also diejenigen sind, an die der Eigentümer in anderen Fällen die Verluste weiterreicht. Eine merkwürdige Geschichte.
Die jungen Leute rechnen bzw. man rechnet ihnen vor. Sie können das Haus kaufen und renovieren - wenn sie anschließend zwei von den zehn Wohnungen als Eigentumswohnungen verkaufen - haben sie alle Schulden bezahlt. Aber das wollen sie nicht, darin sehen sie keine Lösung des Problems. Weder für sich - da sind sie verblendet - noch allgemein - das sind sie erst recht verblendet. Sie sagen, das kann doch nicht der Weg sein, daß jeder Mieter seine Wohnung einfach kauft. (Wenn es jeder könnte, wäre dagegen eigentlich nichts einzuwenden. Im klassischen sozialen Wohnungsbau kostet heute eine Neubauwohnung in den Großstädten bis zu 150000 DM Subventionen. Mit anderen Worten, wenn der Staat jedem, der seine Altbauwohnung kaufen und auf eigene Kosten renovieren will, - diese 150000 DM gleich schenken würde - anstelle sie hundert Firmen, Banken, Zwischenfinanzierern, Vermittlern, Anpreisern als Subvention zukommen zu lassen -, wo kämen wir da hin?) Also, die Leute im Haus Schillerstraße 32 wollen weder einen Teil des Hauses kaufen noch ihre Wohnungen, sie wollen sich nicht damit trösten, daß sie als Eigentümer einer renovierten Wohnung monatlich 700 oder 800 Mark Belastung statt Miete zahlen - aber dafür in einigen Jahren über eine wertvolle Immobilie verfügen -, sie wollen das alles nicht. Sie wollen nur in dem Haus wohnen und nicht viel mehr zahlen müssen als bisher. Sie wollen das ganz einfach auch deswegen, weil sie gar nicht sehr viel mehr zahlen können und wiederum keinen Sinn darin sehen, daß sie mehr Miete zahlen, wovon ihnen ein Teil als Wohngeld aus
dem Topf der Steuerzahler erstattet wird. Kurz: Sie sind uneinsichtig gegenüber den Gesetzen des Marktes. Stur machen sie die Rechnung auf: Bisher haben wir gut und billig gewohnt - warum können wir nicht weiter gut und billig wohnen? Und sie lernen in diesen Verhandlungswochen vor allem eines: Es sind die Finanzierungskosten, die das Wohnen so teuer machen.
Klar: die Grundstückspreise sind gestiegen in den letzten Jahren - insbesondere in den Großstädten.
Klar: die Baukosten, auch die Modernisierungskosten sind gestiegen.
Aber: Was den Preis für die Ware Wohnen wirklich in schwindelnde Höhen treibt sind die Zinsen und die Zinsen für das sogenannte Fremdkapital.
Ein Satz wird den jungen Leuten einfach so als selbstverständlich hingestellt:
Bei einer Mietkalkulation muß davon ausgegangen werden, daß zwischen 60% bis 80% der Kostenmiete (Kostenmiete ist die vor allem im sozialen Wohnungsbau und bei gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften auf die Deckung der Unkosten begrenzte Miete.) aus Zinsen für das aufgenommene Fremdkapital bestehen.
Und der Satz: »Die Zinsen können Sie ja von der Steuer abziehen!«, kann eben die wenig verdienenden Mieter des Hauses Schillerstraße 32 nicht trösten. In dem Buch »Die neue Wohnungsnot« von Renate Petzinger und Marlo Riege finden sich drei Rechenbeispiele. Was kostet ein Quadratmeter Wohnraum bei gängigen Herstellungs- und Finanzierungskosten? Und wie läßt sich dieser exorbitante aber heute übliche Preis auf die Hälfte bzw. ein Viertel drücken, wenn man die beiden Kostenanteile Grundstücks- und Baukosten einerseits - Finanzierungskosten anderseits - verringert? Dem wäre noch ein - vielleicht wirklichkeitsnäheres und deshalb sogar noch interessanteres Rechenbeispiel hinzuzufügen. Nicht zinslos wird das Fremdkapital von 180000 DM Hier ein Beispiel:
Mietberechnungen
Beispiel 1 | |||
Kosten | DM | 50000,- | Grundstückskosten |
DM | 150000,- | Bau- und sonstige Kosten | |
DM | 200000,- | Gesamtherstellungskosten | |
Finanzierung | DM | 20000,- | Eigenkapital 4% Zinsen |
DM | 180000,- | Fremdkapital 1% Tilgung, 10% Zinsen | |
Aufwendungen | DM | 1800,- | Tilgung |
DM | 800,- | Zinsen Eigenkapital | |
DM | 18000,- | Zinsen Fremdkapital | |
DM | 3400,- | Bewirtschaftungskosten etc. | |
Kostenmiete | DM | 24000,- | = DM 20,- /qm/Monat bei 100 qm Wohnfläche |
Beispiel 2 (Senkung der Grundstücks- und Baukosten um je die Hälfte, gleichbleibender Zinskosten) | |||
Kosten | DM | 25000,- | Grundstückskosten |
DM | 75000,- | Bau- und sonstige Kosten | |
DM | 100000,- | Gesamtherstellungskosten | |
Finanzierung | DM | 20000,- | Eigenkapital 4% Zinsen |
DM | 80000,- | Fremdkapital 1% Tilgung, 10% Zinsen | |
Aufwendungen | DM | 800,- | Tilgung |
DM | 800,- | Zinsen Eigenkapital | |
DM | 8000,- | Zinsen Fremdkapital | |
DM | 3400,- | Bewirtschaftungskosten etc. | |
Kostenmiete | DM | 13000,- | = DM 10,83/qm/Monat bei 100 qm Wohnfläche |
Beispiel 3 (Senkung der Zinskosten, gleichbleibende Bau- und Grundstückskosten) | |||
Kosten | DM | 50000,- | Grundstückskosten |
DM | 150000,- | Bau- und sonstige Kosten | |
DM | 200000,- | Gesamtherstellungskosten | |
Finanzierung | DM | 20000,- | Eigenkapital 4% Zinsen |
DM | 180000,- | Fremdkapital 1% Tilgung, zinslos | |
Aufwendungen | DM | 1800,- | Tilgung |
DM | 800,- | Zinsen Eigenkapital | |
DM | 3400,- | Bewirtschaftungskosten etc. | |
Kostenmiete | DM | 6000,- | = DM 5,- /qm/Monat bei 100 qm Wohnfläche |
gewährt, aber der Zinssatz wird gesenkt. Und zwar von 10% auf 4% - das heißt auf die Höhe, die für Eigenkapitalverzin-sung üblich ist. Dann sähe die Geschichte so aus: Gesamtherstellungskosten gleichbleibend: 200000 DM
Finanzierung 20000 DM (Eigenkapital 4% Zinsen) 180000 DM (Fremdkapital 1% Tilgung, 4% Zinsen) 1800 DM Tilgung Aufwendungen 800 DM Zinsen Eigenkapital 7000 DM Zinsen Fremdkapital 3400 DM Bewirtschaftskosten Kostenmiete DM13000 oder DM 10,83/qm/Monat bei 100 qm Wohnfläche.
Aber sogar fast 11 Mark pro Quadratmeter ist eben auch ein Preis, den nicht allzu viele Leute bezahlen können. 1100 Mark Miete im Monat für eine 100 qm große Wohnung - also jener Wohnraum, den eine Familie mit 2 Kindern benötigt, 1100 Mark Miete also ohne die Kosten für Strom, Gas, Wasser etc. Welcher normal verdienende Familienvater kann das bezahlen? Das verfügbare Durchschnittseinkommen einer vierköpfigen Arbeiterfamilie lag 1979 bei 2757 Mark im Monat - in diesem Fall wären 1000 Mark schon mehr als 33% des Einkommens. Mit anderen Worten, - es bleibt die Frage: wer - nach dieser Welle der Verteurung alten wie neuen Wohnraums - die Mieten überhaupt noch aufbringen kann?
Ein Zitat aus dem »Zeit-Dossier«. »Wohnungsnot - keine Wende in Sicht« vom 27. März 1981:
»... daß Mieten zu niedrig seien, versuchen Haus- und Grundeigentümer, allen voran ihr Präsident Theodor Paul, auch mit untauglichen Mitteln zu beweisen. Das Standard-Argument ist der mit durchschnittlich 15,5% vermeintlich zu geringe Anteil der Wohnungsmiete an den Gesamtausgaben der privaten Haushalte. Die ständige Wiederholung macht diese Behauptung weder besser noch gut. Sie ist von ähnlicher Aussagekraft wie die Feststellung, daß Rockefeller und seine Putzfrau im Durchschnitt Milliardäre sind. Durchschnittszahlen wie die ominösen 15,5 Prozent beweisen nichts. Die überwiegende Mehrheit der Normalverdiener in den Großstädten wäre glücklich, wenn dieser Satz für die Miete reichen würde. Mindestens 25% vom Einkommen zahlen fast alle Normalverdiener in den Ballungsgebieten - damit erfüllen sie eigentlich eine wichtige Forderung der Wohnungsbau-Funktionäre. Doch 25% vom Einkommen reichen halt nicht aus. Wesentlich weniger wird in ländlichen Regionen bezahlt - aber dort herrscht trotzdem keine Wohnungsnot.«
Frage ist also: wer wird bei Neubaupreisen von 20 Mark und mehr und bei den Preisen für modernisierte Altbauten von 13, 15, 18 Mark und mehr den Erbauern oder Modernisierern über die Gewinnschwelle helfen können?
Die jungen Leute von der Schillerstraße 32 jedenfalls hätten das Haus am besten einem Fonds übergeben oder als Bauherrenmodell angepriesen - ein Traumangebot sozusagen. Nur untauglich, wenn jemand bei bescheidenen Ansprüchen billig wohnen möchte.
Was sie nun tatsächlich mit dem alten Haus machen - oder auch das Land Berlin - steht in diesem Augenblick noch nicht fest. Am liebsten würden sie nur die Schäden beheben lassen - gerechterweise auf Kosten des Verursachers, der ohne Genehmigung mit dem Abriß begonnen hat - und dann in Eigenarbeit an dem Haus das ausbessern, was notwendigerweise zu seiner Instandhaltung gemacht werden muß. Anschließend kann das Haus wahrscheinlich noch Jahrzehnte oder ein weiteres Jahrzehnt zehn Mietparteien Unterkunft bieten, wenn die politischen Verhältnisse es zulassen. Und selbst dann hätte es etwas von einem Denkmal: »Die Ausnahme und die Regel« - denn die Regel ist Geschichte des nicht abgerissenen und bisher nicht luxusmodernisierten Mietshauses Schillerstraße 32 sicher nicht.
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