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Beitrag zur Pressekonferenz am 16.1.81

Der Besetzerrat beglückwünscht den Senat zu seinem Rücktritt, und wir erklären uns bereit, nun auch das Rathaus Schöneberg instandzubesetzen.

Nun aber zu unseren Vorstellungen: Unser Ziel ist, die Entwicklung des Staates in allen Lebensbereichen auf ein Minimum zu reduzieren. Wir wollen unsere Lebensbedingungen am Wohn- wie am Arbeitsplatz selbstbestimmen. Auch Hausbesetzungen sind eine Möglichkeit zu verhindern, ein fantasieloses Rädchen im Räderwerk des Staates zu werden. Wir wollen nicht in monotonen Betonsilos, die jegliche Menschlichkeit ersticken, verstauben. Wir wollen auch nicht als kopflose Handlanger an den Fließbändern und Maschinen in den Fabriken der Industrie stehen. Für uns sollen die Arbeits- und Lebensbedingungen wieder erfaßbar werden. Erleben, wie aus einem Stück Holz ein Tisch oder aus einem Stück Leder eine Jacke wird.

Wir wollen unsere Lebensräume selbstgestalten, lernen, ein Haus instandzuhalten, z.B. mit den Mitbewohnern das Dach reparieren oder mit den von uns bestimmten Handwerkern eine neue Steigeleitung legen. Dazu brauchen wir keinen Staat, vertreten hier durch die Sanierungsträger. Gerade diese Mischung von Fabriketagen und billigem Wohnraum hier im Kiez gibt uns die Möglichkeit, uns hier zu verwirklichen. Wenn dies nun saniert werden soll, heißt das letztlich, daß wir, die Menschen, die hier leben, saniert werden sollen! Und genau das ist die Gewalt, gegen die wir uns durch die Besetzungen wehren. Sollte nun versucht werden,ein Haus polizeilich zu räumen, werden wir auch auf diese Gewalt entsprechend reagieren.

Wie soll es nun in Zukunft weitergehen? Bis heute sind 32 Häuser in Berlin besetzt, wir müssen aber dazu sagen, daß noch immer Häuser leerstehen und noch immer ganze Häuser entmietet werden. Ein Ende der Hausbesetzungen ist somit noch lange nicht abzusehen. Wir wollen nun versuchen, in und mit den besetzten Häusern unsere Vorstellungen von gemeinsamem Leben zu verwirklichen. Zur Zeit versuchen einige Leute, ein Kulturzentrum aufzubauen. Dort sollen die jetzt schon in Kreuzberg bestehenden Gruppen geeignete Räumlichkeiten erhalten. Auch mehrere türkische Gruppen arbeiten an diesem Projekt. Wir hoffen über dieses Kulturzentrum noch engeren Kontakt zu unseren türkischen Freunden und Nachbarn zu bekommen.

In einigen Häusern werden oder sind schon Werkstätten eingerichtet (z.B. im Kerngehäuse in der Cuvrystraße und im Turm). Die hier hergestellten Waren werden wir über Coops vertreiben. Ein erster Ansatz dazu war der Schwarzmarkt am Turm, der im Frühjahr, wenn das Wetter es wieder zuläßt, weitergeht. Wir werden in Zusammenarbeit mit den Mieterläden gemeinsame Werkstätten und Handwerkergruppen aufbauen, um gemeinsam mit Mietern und Hausgemeinschaften die Instandhaltung der Häuser durchführen zu können. Hier sind wir zur Zeit dabei, mit dem Mieterladen Waldemarstraße einen Lagerraum für Materialien und Werkzeug einzurichten. Dort können dann alle, die die Instandsetzung der Häuser selbst in die Hand nehmen wollen, die benötigten Werkzeuge ausleihen. Um dieses Projekt richtig aufbauen zu können, brauchen wir noch viel Baumaterial und gutes Werkzeug.

Spenden können im Mieterladen Waldemarstraße abgegeben werden. Längerfristig werden wir auch versuchen, die jetzt schon abrißreif gemachten Häuser wieder bewohnbar zu machen. Dazu brauchen wir keine Bauprogramme und Sanierungsgesellschaften. Die hierfür benötigten Gelder sollen den Betroffenen über die Mieterläden oder Blockvertretungen direkt zur Verfügung gestellt werden. In letzter Zeit konnten wir in diversen Zeitungen lesen, daß es mehrere Beschwerden und wohl auch Anzeigen bei der Polizei gegeben hat. Es wird immer wieder vorkommen, daß sich jemand durch die Instandbesetzer belästigt fühlt und wir haben deshalb für solche FäIle eine Beschwerdestelle im Mieterladen Dresdener Straße eingerichtet. Wir bitten alle Mitbürger, die Beschwerden gegen Hausbesetzer haben, nicht immer gleich die Polizei zu rufen, sondern sich erst mal im Mieterladen zu melden. Der Besetzerrat wird jeden einzelnen Fall prüfen und versuchen, eventuelle Mißstände abzustellen.

Wir wollen und brauchen keine Polizei!!! Letztendlich wollen wir auch die Gestaltung der Straßen und Plätze hier im Kiez bestimmen und unsere eigenen Ideen auch verwirklichen. Wir brauchen hierzu keine Bürokraten, die uns wie am Oranienplatz was aufzwingen wollen. Hierzu ist für das Frühjahr eine größere Bepflanzungsaktion auf den Straßen und Plätzen in K 36 in Vorbereitung. Auch soll in Zukunft die Fassadengestaltung der Häuser durch die Betroffenenvertretungen bestimmt werden.

Zum Schluß noch eine kurze Erläuterung zu dem Betroffenenkreis, der von uns gebeten wurde, eventuelle Verhandlungen zu übernehmen. Dies wollen wir als Signal verstanden sehen, und es liegt nun an dem neuen Senat, ob es Gespräche geben wird. Wir fordern immer noch die Freilassung der Leute und Einstellung aller Strafverfahren als Voraussetzung für Verhandlungen.

Besetzerrat

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