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Samstag, 13.12.

Um 16.00 Uhr ist ein Treffen im Spektrum angesetzt, um über die Ereignisse am Freitag und über die weitere Vorgehensweise zur Freilassung der Gefangenen zu beraten. Es wird ein Ultimatum gesetzt: Um 20.00 Uhr müssen die Festgenommenen rausgelassen sein. Ab dann rufen ständig Leute im Spektrum an, um zu erfahren, ob das Ultimatum erfüllt ist. Falls nicht, sollen dezentrale Aktionen laufen. Dies haben die Bullen anscheinend mitgekriegt, so daß plötzlich zwischen 21.00 und 22.00 das Specki-Telefon lahmgelegt ist. Die Forderungen werden nicht erfüllt. Viele Gruppen strömen aus in alle Teile der Stadt. (Die Ergebnisse und Erfolge waren genauestens in der Montagsausgabe der »BZ« zu lesen.) Gegen 21.00 Uhr: Man kommt zum Entschluß. Demo auf'm Kudamm! Was dort mit etwa hundert Leuten anfängt, wächst unter dem Motto "Hin und her, wir werden immer mehr!" auf über tausend Leute an. Der Verkehr liegt lahm.

Bullenwannen sammeln sich und versuchen immer wieder "das Chaos" in den Griff zu kriegen. Mit Sprüchen wie:"Eins, zwei, drei, laßt die Leute frei!" marschieren die Demonstranten zur TU-Mensa, um sich durch Leute aus der Veranstaltung »Rock against Junk« zu verstärken. Wenige konnte man erreichen, die Demonstranten laufen zurück zum Kudamm. Nun geht es wieder den Kudamm rauf und runter, zwischendurch Steine gegen die »Deutsche Bank« und ein paar Bullen, die die seit Jahren leerstehende (...) »Chinesische Botschaft« bewachen. Die Bullen sind jetzt ab 1.30 Uhr nicht mehr in der Lage, die Demo zu überblicken, den Kuhdamm zu räumen; so müssen sie ohnmächtig mitansehen, wie die Scheiben zwischen Kranzler Eck und Olivaer Platz klirren. Parallel kommt es in allen Teilen der Stadt zu dezentralen Aktionen (Bukow, Südstern etc.).

Bilanz der Nacht: 8 Festgenommene am Südstern und 6 am Kuhdamm, kaum Verletzte.

Tumulte nach Räumung

Straßenschlachten in Berlin

Berlin (itz, dpa) - Mehrere durch Steinwürfe verletzte Polizisten, verletzte Demonstranten, zertrümmerte Schaufensterscheiben und geplünderte Geschäfte sind die vorläufige Bilanz neuer Tumulte in der Nacht zum Sonntag in der West-Berliner Innenstadt und einigen anderen Bezirken. Zu den Ausschreitungen kam es, als die Polizei eingriff, nachdem einige hundert Demonstranten am Samstagabend den Kurfürstendamm plötzlich blockierten und in Sprechchören die Freilassung ihrer Gesinnungsgenossen forderten, die bei den schweren Tumulten in Kreuzberg in der vorangegangenen Nacht festgenommen worden waren.

Kölner Stadtanzeiger 15.12.80

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