probiert den Schutzhelm auf. Lacher: »Den kannste zum Karneval anziehen, aber sonst ... « Und: »Damit siehst du aus wie Asterix. « Einer kramt die Berliner Springer-Zeitung >BZ< aus der Tasche. »Hör uff, Kollege, hier bist du auf'm Einsatz, hier kannst du nicht Zeitung lesen« - »Muß mich doch politisch weiterbilden ... « Der für den Funk zuständige Beamte übersetzt für mich Unverständliches aus dem Äther: »Da haben welche am Leuschner Damm Farbeier versteckt. Im Gebüsch. Da schicken wir mal die Kollegen hin - die soll'n die Eier klau'n ... « Der Beamte mir gegenüber ergänzt: ». . . soll'n den Demonstranten die Eier klau'n . . . ! « Einer gibt noch einen drauf: »Nach Auszählung der Eier hat sich ergeben, daß fünfundachtzig Demonstranten kastriert wurden!« Wir stehen zunächst »weisungsgemäß« in der Prinzenstraße, südwestlich Moritzplatz, mit Fahrtrichtung Gitschiner Straße. Der Demonstrationszug hat sich vom Oranienplatz aus in Bewegung gesetzt. Aus den erwarteten fünfhundert Teilnehmern wurden tausend. Bis zum Einbruch der Dunkelheit bleibt alles ruhig für die vier Gruppenwagen in unserem »Zug«. Dann: plötzlich Einsatzbefehl! Mit Blaulicht und Signalhorn rast der Fahrer los. Die Spitze des Demonstrationszuges erreicht gerade den Hermannplatz. Nach stundenlangem Warten kommt nun Bewegung in den Wagen, die Spielkarten sind in irgendeiner Tasche verschwunden. »Jetzt geht's los!« ruft ein Beamter, ein anderer überschlägt sich mit der Stimme: »Schlagt sie tot, die Schweine! « Und: »Paar aufs Maul, den Schweinen!« Ich habe bei dem Gebrüll Mühe, die Tonaufnahme auszusteuern. Obermeister E., den ich schon von nächtlichen Streifenfahrten kenne, hält den Schlagstock fest in der Rechten, streichelt ihn mit der linken Hand, murmelt: »Mein Himmelsstift ... « Wir erreichen das Ende des Demonstrationszuges - alles ist ruhig, friedlich. Die Demonstranten gehen langsam zum Hermannplatz. Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Gruppenwagen fahren von hinten in den Demonstrationszug hinein, einige Teilnehmer müssen zur Seite springen. Ein Beamter ruft: »Fahr sie doch um, die Scheißer!« - »Halt doch druff, Mensch! « Ein junger Mann gerät zwischen unseren und den folgenden Gruppenwagen. Der fährt ihn an. Der Beamte mir gegenüber stößt seinen Kollegen an: »Der fährt ihn um, Dietmar, siehste?« Der Funker ruft: »Jawoll! Jawoll!« - ein anderer: »Der erste sitzt schon auf der Fahrbahn!« Die Beamten vom Wagen hinter uns springen mit Schlagstöcken und Schilden ab, drängen die Menge zur Seite, schlagen wahllos auf Einzelne ein. Links neben mir zieht ein Beamter den umgekehrten Schluß: »Die Kollegen hinter uns werden angegriffen! « Obermeister E. springt allein von der >Wanne< runter und ruft so laut er kann: »Zurück! Zurück!« Seine Kollegen überhören ihn. Erst als ein Megaphon ertönt (»Aufsitzen! Aufsitzen!«) steigen die Beamten in ihre >Wanne< zurück. Auch Obermeister E. sitzt wieder neben mir und schließt die Tür hinter sich. Einer fragt: »Haben die Kollegen es ihnen wenigstens gegeben?« Obermeister E.: »Na klar, aber bringt doch nichts! « Zugführer K. befiehlt vom Beifahrersitz aus: »Keine Einzelaktionen!« Obermeister E., der die Kollegen vom anderen Wagen nur zurückholen wollte, fühlt sich vom »Chef« falsch verstanden: »Das sag ich ja! « K.: »Du warst der erste, der unten war - paß mir auf, daß keiner absitzt. Das hat doch so keinen Sinn. Entweder geschlossen ran - oder gar nicht! « Was wohl soviel heißen soll wie: Verprügelt wird gemeinsam und auf Befehl! Noch bevor der erste Stein geflogen ist, haben Polizisten bereits einen jungen Mann gezielt angefahren und dann in die Menge der Demonstranten geprügelt, die ihm zu Hilfe kommen wollte. Dann fliegen die ersten Pflastersteine: »Jetzt in unserer Höhe Birkner Straße, Kottbusser Damm, sämtliche Scheiben eingeworfen auf der linken Seite des Demonstrationszuges«, kommt die erregte Meldung über Funk. Die Reaktion darauf in unserer >Wanne<: »Die Säue!« - »Zum Kotzen!« - »Das gibt's doch gar nicht!« - »Kein Wunder, daß man immer saurer wird!« - »Haste gedacht, die lassen die Kreditbank in Ruhe ... « Zugführer K. unterbricht: »Schilde runter!« Die Plastikschilde werden aus den Gummibändern an der Decke gelöst, auf den Schoß gelegt. |