Die Scheiben, die am Kottbusser Damm eingeworfen sind, werden nicht die einzigen bleiben, die heute zu Bruch gehen. Vor allem Banken und Versicherungen bekommen die Wut einzelner Demonstrationsteilnehmer auf Häuserspekulationen und Wohnungsnot zu spüren. Und auch die Polizei: zahlreiche >Wannen< werden beworfen.

Zugführer K. befiehlt: »Absitzen und am Fahrzeug bleiben!« Wir steigen aus, laufen neben dem Demonstrationszug her bis zur Kundgebung am Hermannplatz. Ein Beamter sieht sich die Teilnehmer kritisch an, registriert einige mit gefärbten Haaren, andere mit Fackeln in der Hand, Jeans, weite Pullover: »Die möchte ich alle mal frisieren ... « Ein Kollege von ihm sagt: »Die müßte man alle mal unter die Dusche stellen und den Hahn aufdrehen.«

Während der Kundgebung wird am Heinrichplatz ein weiteres Haus besetzt. Jetzt sind es bereits sechzehn in Kreuzberg.

Dann ist die Kundgebung zu Ende, und die Teilnehmer gehen in Gruppen und Grüppchen nach Hause. Jetzt soll's erst richtig losgehen!

Wir patroullieren in Kreuzberg wie in einer besetzten Stadt. Die Beamten haben sich gegenseitig aufgeheizt. Was sie zurückhält, sind die Weisungen des Zugführers. Er scheint der einzige zu sein, der meine Anwesenheit im Trubel nicht vergessen hat.

Ein Beamter murrt: »Keener macht wat, keener darf wat. Die Typen da vor uns dürfen zum Beispiel gar nicht auf die Fahrbahn laufen, weil sie gar nicht das Recht dazu haben. Aber naja ... « Die Luft auf der >Wanne< ist kalt und zum Schneiden dick vom Zigarettenqualm. Batsch. Steine knallen gegen den Wagen. Nochmal: batsch, batsch. Die Spezialscheiben und das Gitter vorn halten stand. Der Beamte, der sich gerade beschwert hat, daß die Demonstranten einfach so auf der Fahrbahn laufen, brüllt los: »Da gibt's doch bloß: Anhalten, Absitzen - und Ketchup machen! Mehr gibt's da doch gar nichtl.«

Der Zugführer befiehlt jedoch: »Weiterfahren!« Die Beamten verstehen ihn nicht mehr: »Was ist denn mit dem heute los?«

Pinkelpause in einer Grünanlage. Ein Mädchen mit Lederjacke und rotgefärbten Haaren läuft am Fahrzeug vorbei. Die Beamten drehen sich nach ihr um: »Eh, guck mal, der Typ da!« - »Wo denn, ich seh ja gar nichts ... « - »Ist kein Typ, ist 'ne Tussi ... « - »Die Alte mit den blauen Schuhen?« - »Die guckt sich hier einen aus, den sie mitnehmen will.« - »He, Tussi!« - »Mich würde interessieren, ob die unten auch gekräuselt ist und gefärbt.« - »Dann mußte ihr was runterreißen, dann weißt du das ... « - »Die hat unten bestimmt 'nen Irokesenschnitt ... «

Beim Weiterfahren maulen einige Beamte erneut: Ihnen wird die auferlegte Zurückhaltung zu anstrengend. Zugführer K.: »Ruhe jetzt! Wo wir die letzten Kräfte sind ... « Reaktion in der Gruppe: »Wir wollen doch auch bloß unsere Freude haben!« K.: »Wenn was hätte passieren sollen, dann vor einer Stunde ... « - »Da durften wir ja nicht ... « Einer scherzt makaber: »Können wir ja heimlich machen - einen reinholen und dann tot wieder rausschmeißen.« Das Funkgerät quäkt dazwischen: »Einsatz Ecke Adalbertstraße/Oranienstraße, sofort hinkommen«. Niemand weiß so recht, wieso. Der Fahrer gibt Gas, das Signalhorn dröhnt, ein Beamter »freut« sich besonders: »Jaaaawolll!« - »Geeeiill!« - »Geeiiil!« Sein Kollege links ahnt schon wieder eine Enttäuschung: »Na, dann steigen wir ab ... und dann heißt es wieder: Aufsitzen!« Er sagt das so, als sei ihm »Knüppel frei« lieber ...

Als wir die Kreuzung erreichen, ist tatsächlich schon alles vorbei. Es gab insgesamt vier Festnahmen.

Die 27jährige Gerichtsreferendarin C. G. und die 23jährige Diplomsoziologin P. W. schildern übereinstimmend folgende Situation: Wenige Minuten vor dem Eintreffen unseres Gruppenwagens sehen beide, gerade aus einem Lokal kommend, wie ein Polizeistreifenwagen auf der Oranienstraße plötzlich Gas gibt, die Fahrspur wechselt und mit quietschenden Reifen vor einem Pärchen auf dem Gehweg der linken Fahrbahnseite zum Stehen kommt. Ein Beamter steigt aus und fordert die 21jährige Kindergartenhelferin I. H. auf, sich auszuweisen. Vorwurf: »Sie sind mit dem Fahrrad auf dem Gehsteig ohne Licht gefahren.« I. H. nimmt ihren

<- back | next ->