es an den Abgründen bourgeoiser Trauer die Waffen des eigenen Grauens zu gnadenloser Solidarität. Erich sagt: Ich bin müde, abends ein Bit, morgens fit, Kai kaut auf seinem Kebab, mit Soße drei Mark fünfzig, denkt an Corinnas Augen, die Gleichheit vor dem Feind. Wo bleibt ihr, fragt Corinna, und sie beeilen sich. Zunächst ist die Straße neben dem Bunker nur Nacht und unter der Überbauung finster, der Sozialpalast grient mit fast schon farbigen Zähnen, einem löchrigen Gebiß. Dann grölt ein schmächtiger Punk, Augenringe wie Rost, Haut wie Seife, rotes Haar: Deutschland muß sterben! weil der Container mit Plastiklocken qualmt und ein bißchen lodert, aber am Ende bloß blakt. Schließlich klirrt es, weil im verknautschten Pappkarton, den das hellblonde Mädchen und ihr Freund mit den grünlichen Haaren lässig auf die Fahrbahn treten, noch zwei leere Flaschen waren, die zerbrochen sind. Aus dieser Quelle trinkt die Welt. Als der Punk mit den roten Haaren sieht, daß das Mädchen von hinten umfaßt wird, plötzlich erkennt, daß die Knarre am Kopf mit den grünlichen Haaren einem Zivilpolizisten gehört, läuft er los, erst unsicher, witscht an einem zweiten Zivilbullen vorbei, brüllt vorn an der Kreuzung: Polizei-SA-SS, flitzt über die Straße, hopst in ein haltendes Taxi, das anfährt und Gas gibt und weg. Das brüske Brüllen der Reifen, Knarre am Schädel, Kopf mit Loch, jetzt kriegen wir euch alle, jetzt kriegen wir euch doch. Los, fragt Corinna, während das Taxi eilig aus ihrem Gesichtsfeld verschwindet - weiß nich, nurmelt Erich, Kai muß nicken. Derweil umklammert der zweite Bulle das hellblonde Mädchen, das Mädchen strampelt und hängt in der Luft. »Sollten wir nicht was machen? Darüber gehn? Was tun?«, Corinna faucht und fuchtelt brüsk mit geballten Fäusten in der sonst leeren Nacht herum, sieht Kai an, danach Erich - abhaun, murmelt Erich ergeben und mampft, vorn an den Zähnen ein Salatblatt, der Glanz von einem Kebab, ein Tropfen Fett verschmiert am Kinn, »krieg ich ja immer was von am Magen, aber es muß eben manchmal sein«. Scheiße! zischt Corinna, guckt Kai, mit braunen Augen, knapp übers blonde Nasenbein, alle Rundfunkredaktionen hocken fad im Hintergrund, nur die Glut im Kraterherde funkelt vorn im weißen Licht neben den Pupillen. Fuchsteufelswild, denkt Kai und kratzt sich, mich macht ein Tag mit Tränengas am Ende nur benommen und nicht zornig. Bescheuert, nuschelt Erich und kämpft überrascht mit einem Schluckauf Die stehn da drüben mit den Zivis, wir kauen Kebab, mümmelt Kai, sehe ich das richtig? Ja, sagt Erich, und, na und? Auf der andern Straßenseite macht die Knarre leise klick, auf dem Parkplatz vor den Häusern steht ein Mann, der wartet und sich schließlich duckt. Corinna rennt. Kai grummelt: Warte! Ein Autofahrer hupt und bremst. Bloß der Punk mit den grünlichen Haaren und der Mündung an der Schläfe keift: Du Ficker, laß mich los! Als Erich seinen Kebab unschlüssig in den Rinnstein wirft, hat Kai auf den Kotflügel geklatscht, der Autofahrer hat Gas gegeben, der Bulle mit dem Mädchen klappert schon mit den Handschellen, der Bulle beim Container fuchtelt noch mit der Knarre, und der Container qualmt. Erich sieht, wie, eins, zwei , tippel, sie, Corinna, linkisch durch den dicken Qualm auf den, »ej, du Wichser, warte!«, zappeligen Zivi zugeht, der - weil grad das nächste Auto unter dem Sozialpalast schaltet, Gas gibt - nichts versteht, nur Kai im Auge - »Troll dich, Arschloch! Laß die Scheiße!« - dazu schüttelt er den Kopf, linke Hand die Knarre, rechte Hand den Punk. Eine beinahe bittende Bewegung, denkt Kai und murmelt ungeschickt: Was hat er denn getan? Unentschieden, sagt der Mann, der den siebten Samurai auf dem Marktplatz eines Dorfes aufgefordert hat zu kämpfen, beide stehn noch nach dem Kampf still einander gegenüber, die Stöcke aus steifem Bambus je auf der Schulter des Gegners, und sehen einander an. Du irrst dich, sagt der Samurai, als Erich sieht, wie sie, Corinna, ungelenk mit einem Fuß, weil sie, um sich zu versichern, schnell zu Kai hinüberschaut, gegen |