kehr, der Bumerang der Jahre. Während der Schwarze den Fahrradfahrer zurück auf den Sattel setzt, »'alt dich da an der Ampel fest«, sieht Kai in den Scheiben: die Augen des Toten, die magere Schulter mit seiner Hand, die an der Lederjacke zottelt - rot: RAFft euch auf- denkt Kai an den Nachmittag in Dahlem mit Corinna: du glaubst das nicht, daß sie dich will, du glaubst nur ihren Augen, kühl wie die Kacheln im Bad ihrer Eltern, glatt wie lasierte Emaille.

Und du siehst, ohne daß du hören mußt, was der Fahrradfahrer redet, daß er, randvollblasse Lider, alles langsam und verwundert, sagt: Ein Neger! und der Neger tippt dem feisten Fahrradfahrer, der, kaum kipplig aufgerichtet, auf dem Fahrradsattel schwankt, gegen, »ciao«, die linke Schulter, und der Fahrradfahrer kippt rückwärts in den rauhen Rinnstein, nur der große, schwarze Neger weht mit weiten, weichen Schwüngen, während er die Walkmanstöpsel wieder auf die Ohren häkelt, sacht, ein aufgestelltes Segel, über graue Gehwegplatten, don't worry, be happy, davon.

Laß ihn liegen, sagt Kai bissig. Los! sagt Corinna. Ja? sagt Erich - ja, sagt Erich, komme.

Als sie, ding-dang-dong, die Steine in die Woolworthscheiben werfen, kippt das sonnige Plakat, rieselt Sand, rollt Ibiza- über Gischt, Meer, Himmel, Wellen, wendet sich der Rollschuhläufer um, ein ungewisses Zögern, ballt, Rotfront, die rechte Faust.

Erich, Pickel wie Pingpongbälle, freut sich, aber verhalten, lächelt, während er läuft.

Geh doch rüber, grunzt der trunkene Fahrradfahrer, stehn und bleiben, gehn und fallen, an die Ampel festgeklebt. Eingemauert, murrt der Mann an der runden Litfaßsäule, schüchtern faßt Corinna, als sie den dunklen Spielplatz erreichen, einmal möchtest du atmen, nach Kais trockener Hand.

* *

Friedenau. Die Klinik besteht aus Klötzen, jeder Klotz aus grauem Backstein, Putz und einem schrägen Dach. Gegenüber an der Einfahrt eine Schranke, seitlich neben der Schranke das kleine Haus aus Glas, davor zwei Schatten. Während der Bus in der Rubensstraße anfährt und abbremst - noch einmal anfährt, aber die Ampel bleibt rot -, singt auf der fernen Stadtautobahn nach wie vor der Verkehr.

Wer steht da, fragt Jochen - »Zwei Bullen, die warten« - Auf wen, fragt Jochen - »Auf uns, die Verletzten«, unwillig schüttelt Manuela ihr langes, verzwirbeltes Haar. Auf der Rückbank bewegt sich der Kleine und stöhnt, als der Wagen hält, auf.

Die Schweine, sagt Jochen erschöpft. Und klopft auf die Konsole, die Tür, gegen das Handschuhfach, das Pochen der Knöchel auf Plastik und Stahl. Wieso, fragt Manuela, während ein gelber Golf langsam an ihnen vorbeirollt und Gas gibt. Es ist ihr Job, sagt Manuela und kratzt sich ärgerlich hinter dem Ohr.

Während die Bullen vorm Pförtnerhaus leise mit ihrem Funkgerät reden, nuschelt der Kleine vom Rücksitz: Jochen, ich schaff es nicht mehr.

Jochen knabbert an Papier, trommelt mit den Fingernägeln vor sich auf die Windschutzscheibe: Was machen wir, fragt er und glaubt, die Körper alter Leute im Krankenhaus zu riechen. Wir fahren, sagt Manuela, einmal im Karree, dann sehn wir weiter.

Der Bus in ihrem Rücken gibt, da die Ampel umspringt, Gas, kaum Blinken, er rutscht, kein Hupen, links an ihrem Auto vorbei, und indem Manuela in dessen Schatten anfährt, schaukeln sie neben dem nöligen Nachtbus und auf der rechten Fahrbahn den flüsternden Blicken der Bullen davon.

Nur vor ihnen auf der feuchten Straße, dort, wo das Licht der Peitschenlampen einen Hof hat, hüpft der Kleine in der Halle zwischen den Geräten aus Glasfiber und Chrom und Stahl auf und nieder, hoch und runter, und redet, ein Kobold, der schwafelt, sein eigenartiges Zeug.

Stammheim, sagt er, Stammheim ist der Tigerkäfig, in dem die Gesellschaft sich selbst ausstellt. Wir sind die tauben Tierchen im Glas oder die toten Fliegen im Bernstein - wahrscheinlich wird es Kämpfe geben, flötet der Kleine, die ohne Ziel sein werden. Denn indem das Individuum, sagt er und federt über Matratzen, seiner unendlichen Einsamkeit inne wird, schleift

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