ten 1911 gedruckt. Man weiß ja, was aus denen und ihren Problemen geworden ist. Ein halber Liter Bier aus der Flasche kostet zwei Mark und Anschreiben? No Future! Die notorisch Bargeldlosen kennen das Schild hinter dem Tresen, also heißt K. 0. B. auch Kids ohne Bier, und die fragen dann: Haste mal 'ne Mark? So wie der 17jährige, den ich flüchtig kenne. Einer mit bleichem Gesicht, hochgesträubten blonden Haaren und schmuddeliger Wildlederjacke, auf der er allerlei sinnfällige Sprüche mit sich herumträgt. Wer den Staat frißt, krepiert, zum Beispiel. Als er auf einen Joint eingeladen wird, leuchten seine Augen auf: »Geil, das bringt's sowieso mehr als saufen.« Seit er vor drei Monaten bei seiner Oma ausgezogen ist, die es nicht lassen konnte, seine Punk-Klamotten, wenn sie richtig schön zerrissen waren, wieder zusammenzuflicken, ist er auf Trebe, pennt mal hier, mal dort. Oft in besetzten Häusern, aber da wird es ja auch immer ätzender, meint er. Jeden Tag die Paranoia mit den Bullen, und dann die Scheiß-Verhandler, die sind fast noch schlimmer als die Bullen. Nee, das mit den besetzten Häusern ist für ihn abgegessen, damit ist er fertig. Er sieht ungesund aus in dem grellen Neonlicht, wie die meisten Gäste: Unauffällig und praktisch gekleidete Langhaarige, Kurzhaarige, dezent blasierte Neue Bunte, sichtbar um den Stil der fünfziger Jahre bemüht, und ein paar Punks in martialischem Outfit: die Haare kurz geschoren oder ein Irokesenkamm, schwarze Lederhosen und -jacken, mit Nieten beschlagen, schwere Stiefel. Wer sie nicht kennt, dem imponieren sie leicht, dem konnen sie Angst einflößen, so daß er unwillkürlich einen Schritt zur Seite geht, wenn sie sich breitbeinig an den Tresen schieben. Dem Journalisten vom Sender Freies Berlin, der zum ersten und wohl letzten Mal hier ist, geht es so. »Die sind ja ganz schön kaputt«, raunt er mir zu, bevor er nach Hause ins gutbürgerliche Zehlendorf aufbricht. Auf der Potsdamer fallen die Punks nicht weiter auf. Sie gehören zu den Bewohnern der Straße, die einen Großteil ihrer Zeit und Energie darauf konzentriert haben, die Welt möglichst selten mit nüchternen Augen zu sehen. Weiße Wolken werden dichter und dichter, steigen langsam vom Boden auf und füllen das K.O.B. Ein faszinierendes Bild. Wie hypnotisiert bleiben wir alle stehen, während der ätzende Nebel der Luft mehr und mehr Sauerstoff entzieht. Niemand hatte Oskar beachtet, solange er apathisch in sich versunken auf einem Schränkchen kauerte... bis er sich den Feuerlöscher gegriffen hatte, der jetzt die weißen Wolken spuckt. Der Weg auf die Straße ist kaum mehr auszumachen, einige flüchten sich auf die Bühne, bis sie auch dort kaum mehr atmen können und weiter ins Klo stürmen. »Alles raus, das Zeug macht einen ziemlich ungesunden Eindruck«, läßt sich eine unsichtbare Stimme aus der Richtung der Theke vernehmen, zum Amüsement von drei standhaften Punks, die in irres Gelächter ausbrechen: »Was? Ungesund? Was is denn nich ungesund?« Nach ein paar Minuten - die Sichtweite beträgt schon wieder gute drei Meter - tauchen sie aus dem Nebel auf. Sie haben ausgeharrt, husten trotz der Halstücher, die sie sich in Streetfighter-Manier vor das Gesicht gezogen haben, schwarze Helden in einer Schneelandschaft. Der Nebel hat sich als weiße schmierige Masse auf Boden und Tischen abgesetzt. Am nächsten Tag wundern sich die Besetzer aus der 157/159, als Oskar mit zwei Kumpels vor der Tür steht, um beim Aufräumen zu helfen. Der Ärger zwischen den Besetzern aus der Potsdamer und den Punks, die in einem herunterbesetzten Seitenflügel in der nächsten Querstraße leben, ist so alt wie das K. 0. B. Spätestens wenn sie besoffen sind, heißt die Frau hinter der Theke schon mal alte Votze, weil sie kein Bier spendiert. Dann müssen Flaschen und Gläser dran glauben oder es gibt eine Schlägerei. Die Härtesten von ihnen kriegen zeitweilig Lokalverbot, dessen strenge oder eher liberale Handhabung Zwietracht bei der Gruppe aus der 157/159 sät, die das K.O.B. gemeinsam betreibt. Trotz der dauernden Querelein; sie gehören ebenso dazu wie die Neuen Wellen-Reiter, die mal billig einen auf Campari machen wollen, oder Klaus Schlesinger, DDR-Bürger und Schriftsteller, der zumindest vorübergehend vom russischen in den amerikanischen Sektor Berlins gezogen ist. Erst hatte er nur wie Peter Schheider, Yaak Karsunke oder andere Kollegen im K.O.B. gelesen, dann, als eine Räumung zu befürchten war, zog er ein und ist bis heute dort »hängengeblieben«, wie er sagt. Die Punks sind schon eine ganze Weile länger da, haben gewissermaßen die älteren Rechte. Angefangen hatte es im Winter davor, als noch der grüne Käfig im Fenster stand, aus dem eine weiße Ratte namens Luisa regelmäßig ausbrach, um zwischen den klebrigen Sperrmüllsesseln herumzuhuschen. Dazu Punkmusik, schnell, laut und hart: Deutschland muß sterben, damit wir leben können oder Bullenschweine. Und jeden Mittwochabend Schöneberger Besetzerrat: klamme Finger, weil die Heizung noch nicht funktionierte, hitzige Diskussionen, die sich erst allmählich in nervigen Grabenkämpfen festfuhren. Konkretes kam selten raus, aber jede Woche war der ärmliche Raum wieder gesteckt voll, alle irgendwie druff auf Äktschn. Geschichte wird gemacht, es geht voran - je später der Abend, desto kämpferischer die Gäste, bis aus Sesseln und Tischen Barrikaden wurden oder die Polizei in der näheren Umgebung Sachschaden registrieren mußte. Zu guter Letzt hatten die Punks mit ihren rauhen Sitten die übrigen Gäste vertrieben, das heruntergekommene Etablissement wurde geschlossen. Damals |