kann und will über Jahre Häuser-Besetzen als unbezahlten full-time-job betreiben, während hochbezahlte Politiker, Verwalter, Juristen und Journalisten unentwegt demonstrieren, daß niemand ungestraft an den Säulen dieser Gesellschaft rüttelt? Es hat ohnehin erstaunlich lange gedauert, die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie die Freiheit des Eigentums wiederherzustellen, nachdem einen Sommer lang die Anarchie durch die Straßen gegeistert war. Nicht daß die Besetzer Anarchisten im klassischen Sinne gewesen wären. Sie waren nie eine ideologisch feste Gruppe, sondern ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Gefragt waren Mut, Abenteuerlust und starke Nerven, denn es ging eher darum anzupacken, als politische Theorien zu ersinnen; intime Kenntnisse einer Steigeleitung waren mehr wert als die des tendenziellen Falls der Profitrate. Sicher landete auch der eine oder andere kampferprobte Linksradikale in einem der über 150 besetzten Häuser, eine gemeinsame Strategie zur radikalen Veränderung der Gesellschaft setzte sich nicht durch, eher das, wozu jeder gerade mal so Bock hatte oder auch nicht, wenn alle schlecht drauf waren, keine Power da war... Wirksamere politische Bildungsarbeit als die erfahrenen Aktivisten der Bewegung hat von Anfang an die Polizei geleistet. Den Besetzern der Potsdamer 157/159 erteilte sie fünf Lektionen in Form von Hausdurchsuchungen. Am Tag des Präsidentenbesuchs aus den USA sah es nach ihrer Visite aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen: Lack in Betten und auf Schreibtischen, zerbrochene Gitarren und Plattenspieler, geköpfte Blumen, umgestürzte Regale. Mindestens 20000 DM Sachschaden und zwei spurlos verschwundene Kameras, die Wochen später aus dem Spind eines jungen Polizeibeamten an das Licht der peinlich berührten Öffentlichkeit gezerrt wurden. Er wurde in der ersten Instanz zu drei Monaten auf Bewährung und 2000 Mark Geldstrafe verurteilt. Eine Ausnahme: Eigentlich sind die Moabiter Staatsanwälte und Richter mit den über 7000 Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Hausbesetzer und Sympathisanten beschäftigt. Auch sie haben das ihre dazugetan, der Vorstellung von Staat und Gesellschaft als totalitärem Schweinesystem zum Durchbruch zu verhelfen. Bei vielen ist eine anfängliche Naivität einer Art Abgeklärtheit gewichen, die Revolte wirkt heute wie die Erinnerung an eine rauschende Nacht. Floyds Geschichte kommt wie aus einer verlorenen, fremden Zeit daher.
Der 26jährige Student - er gehört zu den ältesten der Gruppe - ist einer der drei verbliebenen Urbesetzer. Nach erfolgloser Wohnungssuche hatte er im März 1981 in der taz gelesen, daß die neuen Bewohner des hundertsten besetzten Hauses in der Steinmetzstraße noch ein paar Räume frei hätten. Platz war für vier, und als sich zehn bewarben, lag es nahe, ein eigenes Haus zu besetzen, statt sich um den Zuschlag zu streiten. Leichter gesagt als getan, sie waren spät dran. Die vor ihnen gekommen waren, malten bereits, die Nachfrage nach leeren Häusern war groß und das Angebot wurde täglich knapper. Als sie sich eines Nachts an eine stillgelegte Brauerei herangepirscht hatten, bearbeitete eine Truppe von der Konkurrenz bereits das Schloß der Stahltüre. Es mangelte allerdings an handwerklichen Fähigkeiten, und auch mit vereinten Kräften gelang der Bruch des Hausfriedens nicht. In Schöneberg waren sämtliche Häuser im Sanierungsgebiet rund um die Potsdamer bereits vergeben, nur auf der Straße selbst waren noch drei ramponierte Objekte der Neuen Heimat frei. Doch auch Besetzer haben Ansprüche: »Wir dachten, auf der Potse wohnen ist doch das Letzte«, erinnert sich Floyd. »Der Strich, die Junkies, die ewige Baustelle.« Immerhin gab es kein Problem mit dem Schloß, und so schlichen am 25. März 1981 nach einer durchgemachten Nacht morgens um fünf mehr als ein Dutzend verdächtige Gestalten in das Haus Nr. 159. Der erste Eindruck war verheerend: Fenster und Öfen zerschlagen, überall Müll und Schutt. Floyd hätte sich am liebsten sofort wieder verdrückt, doch die Transparente hingen schon, und so fügte er sich in sein Schicksal, das gleich zwei sehr unterschiedliche Feinde vorsah. Zunächst einen Trupp Bauarbeiter, der die beiden Seitenflügel auf Geheiß der Neuen Heimat um zwei Stock kürzer machen sollte und nach etlichen Querelen und getaner Zerstörung wieder abzog. Dann der Feind, der nicht seine Muskeln, sondern seine Moral spielen ließ: eine Gruppe von Feministinnen, die seit län- |