gerem mit verschiedenen Senatsstellen und der Neuen Heimat um ein Haus und um Subventionierung ihres »Cafe Hydra - Verein zur Förderung beruflicher und kultureller Bildung weiblicher Prostituierter e. V.« gefeilscht und ein Auge auf die beiden nunmehr besetzten Häuser geworfen hatten. Nach langem Hin und Her entschlossen sich die Besetzer doch zu bleiben. Daraufhin holten sich die Feministinnen verärgert den Schlüssel für ein anderes Haus, die Nr. 139, bei der Neuen Heimat ab. Endlich konnten die Hausbesitzer einmal ihre Aufgeschlossenheit für Alternatives in der Öffentlichkeit präsentieren. Bei den Besetzern begann nach der Behauptung gegen die äußeren Feinde der Blues in den eigenen vier Wänden. Die etwa 20köpfige Besatzung begann sich im fliegenden Wechsel zu verändern, die Apfelsinenkistenromantik hatten sich viele doch weniger entbehrungsreich vorgestellt. Ein mangels bewohnbarer Räume gemeinsam stinkendes und schnarchendes Schlafzimmer, begleitet von dem programmatischen Anspruch, die Vereinzelung in der Gruppe aufzulösen, zehrte an den Nerven. Die Erkenntnis, daß die Instandsetzung der beiden maroden Gebäude jahrelange harte Arbeit erforderte, ließen den Mut und die anfängliche Euphorie schnell schwinden. Es herrschte Endzeitstimmung, als nach der großen Raumungsaktion vom 22.9.1981 ein großer Teil der nunmehr obdachlosen Besetzer aus der Winterfeldtstraße 20 Einlaß begehrte. Er wurde ihnen gewährt, und da die Kollegen aus der unmittelbaren Nachbarschaft zu den aktivsten der Bewegung zählten, resümiert Floyd: »Von da an ging es eigentlich kontinuierlich bergauf.« Zur Verstärkung aus der Winterfeldtstraße 20 gehörte auch Isabella, die zur Zeit 18 Meter über dem K.0.B. im vierten Stock residiert. Aus ihrem halbkreisförmigen Erker blickt sie direkt auf den Wohnkoloß, für den der Sportpalast einst fallen mußte und der für sie Sozialknast heißt. Ihre rundum weißen 16 Quadratmeter nennt sie hingegen »mein Burgfräuleinzimmer«, und wenn sie erhobenen Hauptes über die Straße schreitet oder mal herablassend kühl, dann wieder schnippisch kokett im K. 0. B. hinter dem Tresen steht, hat sie wirklich einen aristokratischen Zug an sich. Objektiv gesehen war sie bis vor ein paar Wochen eine 19 Jahre junge Arbeitslose, jetzt ist sie mit 600 Mark monatlich Wirtin des K. 0. B. Subjektiv gesehen ist sie nach wie vor Künstlerin, zumindest Lebenskünstlerin. Sie war nie politische Aktivistin gewesen, und was sie am Hausbesetzen reizte, war nicht so sehr die alternative Wohnungspolitik. »Mir ging es erst mal um die Selbsterfahrung, um den Versuch, mit 30 Leuten in einer Gruppe wirklich zusammenzuleben. In der Winterfeldtstraße lief das ja keinen Deut besser als draußen, trotz der Ansprüche, die wir hatten. Ich wollte zum Beispiel zuerst nicht mit Typen zusammenarbeiten. Die ließen nämlich öfters so unschuldige Bemerkungen fallen wie: >Ey, du kannst mir mal den Hammer geben.< Und wenn du nicht genau weißt, was gemacht werden muß, wirst du nur als Hiwi angestellt. Erika hat mal gemauert, und da meinte Jürgen F., er hätte gar nicht gewußt, daß Frauen auch mauern könnten, und noch dazu so hübsche. Es gab totale Hierarchien und Kontrollsysteme, ob du auch genug gearbeitet hast, das Ganze hatte was von einem freiwilligen Arbeitslager. Vor dem Plenum hatte ich immer ein mulmiges Gefühl, und als ich mal absolut keinen Bock drauf hatte, bin ich gleich tierisch drauf angemacht worden. Das sind richtige Mackerdinger gewesen, die da abgelaufen sind, ein paar Macker und Yvonne haben die Sachen durchgepowert. Nach der Räumung der Winterfeldtstraße sind ja dann viele Leute abgesprungen, und hier in der Potse lief es ganz anders. Alles nach dem Bockprinzip, wir hatten keine Kraft, uns gleich wieder um die nächsten Mauern zu bemühen, wir mußten uns selbst erst mal zusammenhalten. Und das mit dem Bockprinzip hatte zur Folge, daß sich bald dagegen unheimlich gewehrt wurde, und Reden wurden geschwungen... schließlich hat es sich so eingebürgert, daß wir einmal in der Woche Plenum haben und es akzeptiert wird, daß du mal fehlst, wenn du etwas Wichtiges vorhast.« »Halt doch mal endlich die Fresse! « »Quatsch du lieber nich immer dazwischen, ich kann dein Gelaber sowieso nicht mehr hören.« Das Klima kann sehr rauh. werden auf den wöchentlichen Versammlungen um den langen Tisch im Gemeinschaftsraum, die ebenso ungeliebt wie notwendig sind. Lautstärke, Witz und Anmache gelten mehr als feinsinnig intellektuelles Abwägen - zum Nachteil der Ruhigeren, die nicht sofort ihre Meinung herausposaunen. Bei den impulsiven bis chaotischen Diskussionen gibt es dennoch keinen richtigen Wortführer oder Chef, beziehungsweise sehr viele. Mit allen Tücken, die Demokratie und Anarchie bergen, werden die wichtigen Entscheidungen gemeinsam getroffen. Anfänglich war der Minimalkonsens, der kleinste gemeinsame Nenner das Ziel (»Sonst ist ja Demokratie die Unterdrückung der Minderheit«, erklärt Isabella), mittlerweile wird auch abgestimmt. Kurz vor Weihnachten zum Beispiel, als die beiden Häuser mal wieder ganz oben auf der Räumungs-Liste standen und es zu entscheiden galt, ob sie versuchen sollten, durch Antichambrieren und Mauscheln im Rathaus die eigenen vier Wände zu retten oder ob sie sich zusammen mit vier anderen bedrohten Häusern der Neuen Heimat in Schöneberg auf den ehrenvollen Abgang vorbereiten sollten. Zwölf zu neun für die Rettungsaktion war das Ergebnis einer Debatte, die gut ein Jahr lang ebenso |