1.2 Ökonomische und soziale Situation

Die Nettorealverdienste der ArbeitnehmerInnen sind zwischen 1980 und 1983 rückläufig. [825] Auch die Einkommen aus UnternehmerInnentätigkeit und Vermögen brechen 1980/81 ein. [826] Mit Beginn des erneuten Wirtschaftsaufschwungs 1983/84 steigen jedoch lediglich die Einkommen der UnternehmerInnen stark an [827], während die Löhne der ArbeitnehmerInnen weiter sinken. [828] Dies bedeutet eine reale Umverteilung der von den Unternehmen erwirtschafteten Profite von ‘Unten nach oben’ - ein Trend, der während der Regierungszeit der konservativen Koalition noch verstärkt wird.
Das wirtschaftspolitische Konzept der CDU/CSU/FDP-Regierung sieht eine Verbesserung der Gewinnchancen der UnternehmerInnen - mittels Lohndämpfungen, Steuererleichterungen und Deregulierung arbeitsrechtlicher Bestimmungen - vor. Nur so könne vermehrte Investitionstätigkeit und damit wirtschaftliches Wachstum gesichert werden. Die Einnahmeausfälle des Staates müßten durch Kürzungen bei anderen Haushaltstiteln - in erster Linie bei den Sozialausgaben - kompensiert werden.
In den folgenden Jahren kommt es tatsächlich zu bedeutenden Senkungen bei den staatlichen Bildungs- und Sozialausgaben. Die wirtschaftlichen und sozialen Steuerungselemente des Staates - vor allem bei staatlichen Investitionen und der sozialen Abfederung der Massenarbeitslosigkeit - werden von der Regierung Kohl immer weniger benutzt.
Mit Beginn des neuen zyklischen Aufschwungs ab 1983 steigt nicht nur das Bruttosozialprodukt wieder an, auch die Arbeitslosigkeit erreicht 1985 schließlich einen Stand von 9,3 Prozent im Jahresdurchschnitt. Im Januar/Februar 1986 erreicht sie mit 10,4 % den höchsten Stand seit 1951. [829]
Dieser Politik setzen Teile der SPD und Gewerkschaften ab 1984 die Forderung nach einem Abbau der Massenarbeitslosigkeit durch Senkung der Arbeitszeit und Stärkung der Massenkaufkraft entgegen. Bei den Streiks für die 35-Stunden-Woche im Frühjahr 1984 erreichen die IG Metall und IG Druck und Papier Abschlüsse, in denen die Regelarbeitszeit auf 38,5 Stunden festgelegt wird. Mit der Novellierung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes (AfG) [830] reagiert die Bundesregierung auf die erneute Konfliktfreudigkeit der Gewerkschaften. [831]


[825] Minus 0,3 % (1980), - 1,6 % (1981) und - 2,3 % (1982), vgl. Fülberth, G., Leitfaden durch die Geschichte der BRD, S. 123.
[826] Sie sind zwar nicht rückläufig, steigen jedoch 1980 nur um 0,5 % und 1981 um 1,0 % - im Gegensatz zu 1978 (+ 14,8 %) und 1979 (+ 9,5 %), vgl. ebenda, S. 125.
[827] Plus 13,1 % (1983) und * 9,3 % (1984), vgl. ebenda, S. 125.
[828] Minus 0,7 % (1983) und - 0,7 % (1984), vgl. ebenda, S. 123.
[829] Vgl. ebenda, S. 109.
[830] Durch die Einschränkung der Zahlungen von Arbeitslosengeld an mittelbar von den Folgen eines Streiks betroffene Beschäftigte wird die Kampffähigkeit der Gewerkschaften stark beeinträchtigt.
[831] Vgl. ebenda, S. 112 ff.


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