1.3 Die Wohnungssituation

Zwischen 1948 und 1979 werden mit staatlichen Subventionen 16 Millionen Wohnungen, darunter 7 Millionen öffentlich geförderte Sozialwohnungen fertiggestellt. Bei kontinuierlich gestiegenen Mieten und einem weiterhin bestehenden Mangel an preisgünstigen Wohnungen ist “Anfang der achtziger Jahre ein annähernder Ausgleich auf dem Wohnungsmarkt erzielt. (...) Ein ausgeglichener Wohnungsmarkt ist aber nicht gut für die Rendite. Eine Folge des Überhangs von einigen tausend Wohnungen war, daß sich Anfang der achtziger Jahre sowohl professionelle Anleger wie auch der Staat weitgehend aus dem Wohnungsbau zurückzogen. 1989 wurde mit rund 200.000 Wohnungen der Tiefpunkt im Wohnungsneubau in den Nachkriegsjahren erreicht. Damit war eine neue Wohnungsnot vorprogrammiert .”[832]
Eine der ersten Gesetzesinitiativen der neuen CDU/CSU/FDP-Regierung ist die Verabschiedung des ‘Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen’ am 20. Dezember 1982. [833] Getreu ihrer wirtschaftspolitischen Maxime, über finanzielle Entlastungen bzw. Anreize die Investitionstätigkeit der Privatwirtschaft zu stimulieren, soll der Mietwohnungsbau durch ein Bündel von Maßnahmen neu belebt werden:

  1. Der MieterInnenschutz wird durch die Einführung von ‘Staffelmietvereinbarungen’ weiter gelockert. Künftig kann der Anstieg der Miete für Alt- und Neubauwohnungen bis zu 10 Jahre im voraus vereinbart werden.
  2. Neu zugelassen sind außerdem ‘Zeitmietverträge’ bis zu 5 Jahren und ohne Fortsetzungsanspruch, wenn Eigenbedarf oder erhebliche Baumaßnahmen (zum Beispiel Modernisierungen) des Eigentümers zu erwarten sind.
  3. Können VermieterInnen drei Mietabschlüsse für vergleichbare Wohnungen - auch aus eigenem Bestand - nachweisen, so kann die Miete an die ‘Vergleichsmiete’ angepaßt werden. Allerdings beschränkt der Gesetzgeber die Erhöhungen auf maximal 30 Prozent innerhalb von drei Jahren. In diesem Zusammenhang sollen in möglichst vielen Gemeinden ständig zu aktualisierende ‘Mietspiegel’ entstehen, in denen Übersichten über die vereinbarten Mieten für nicht preisgebundenen Wohnraum veröffentlicht werden.
  4. Schließlich wird festgelegt, das die MieterInnen künftig Mieterhöhungen durch Modernisierungsmaßnahmen, die vom Vermieter für notwendig erachtet werden dulden muß. Davon ausgenommen sind Luxusmodernisierungen. Auch der gesetzliche Kündigungsschutz für MieterInnen wird von dem Gesetz nicht berührt. [834]

Diese Maßnahmen sollen nach offiziellen Verlautbarungen helfen, die Flaute in der Bauwirtschaft zu überwinden. KapitalanlegerInnen sollen also durch die Aussicht auf höhere Profite (ermöglicht durch erweiterte gesetzliche Spielräume zur Mietsteigerung) zum verstärkten Bau von Mietwohnungen gebracht werden. [835]
Diese Maßnahmen führen rasch zu einem drastischen Anstieg der Mieten. In einer im April 1983 veröffentlichten Umfrage [836], wird das Wohnungsangebot in der BRD wie folgt beurteilt:
Nur 7 Prozent der Stadtverwaltungen geben an, das Angebot reiche ‘im wesentlichen aus’, für 68 Prozent ist es ‘auf bestimmten Teilmärkten zu eng’. Immerhin 25 Prozent geben an, daß es ‘deutlich hinter der allgemeinen Nachfrage’ zurückbleibe. “Aus der gleichen Umfrage ergibt sich, daß unter anderem folgende Personengruppen häufig unzureichend mit Wohnraum versorgt sind (in Klammern die Zahl der Städte, die diese Aussagen trafen): Kinderreiche (22), Ausländer (16), alte Menschen (9), Studenten (9), junge Familien (4). [837]
Die Mieten fressen also immer größere Löcher in die Kassen vor allem der Geringverdienenden: Mußten Haushalte mit niedrigem Einkommen - beispielsweise RentnerInnen oder SozialhilfeempfängerInnen - 1965 23,3 Prozent ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten ausgeben, waren es 1982 bereits 32,8 Prozent. Die Tendenz ist weiter steigend. Auch bei Haushalten mit höheren Einkommen stieg der Anteil der Miete an den Verbrauchsausgaben, allerdings lediglich von 15,9% (1965) auf 21,7% (1982). [838]
Statistiken aus dem Jahre 1983 belegen, daß die Miete für eine Wohnung in den letzten 20 Jahren im Bundesdurchschnitt um rund 360 Prozent gestiegen ist. [839] Die ungenügende Versorgung mit Wohnraum ist in erster Linie ein Problem von zu hohen Mieten. Das vor allem Preiswerte Wohnungen Mangelware sind, hat folgende Ursachen:

 


[832] PDS/Linke Liste im Bundestag, Wohnen ist Menschenrecht, S. 10.
[833] Vgl. Lehmann, H.G., Chronik der BRD, S. 152.
[834] Auch hierbei gibt es wieder Ausnahmen, nämlich die Wohnungen in StudentInnen- oder Jugendwohnheimen, die wesentlich restriktiveren Regelungen unterliegen.
[835] Vgl. ebenda, S. 152.
[836] Ergebnisse einer Umfrage bei den 66 Städten mit über 100.000 EinwohnerInnen, in: Der Städtetag, H. 4/1983, S. 255, vgl. Dähne, E., Gemeindeleute, Handbuch für eine alternative kommunalpolitische Praxis, S. 78.
[837] Dähne, E., Gemeindeleute, Handbuch für eine alternative kommunalpolitische Praxis,
S. 78.
[838] Vgl. ebenda, S. 81.
[839] Vgl. ebenda, S. 81.
[840] Vgl. ebenda, S. 78 ff.


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