3.2 BesetzerInnen, Presse und Polizei

3.2.1 Die BesetzerInnen

Wie die meisten Besetzungen in Düsseldorf zuvor, geht auch die Besetzung der Volmerswerther Str. 41 primär von StudentInnen aus. Von der V 41 gehen so starke Impulse aus, daß in ihrer Folge zahlreiche Häuser im ganzen Stadtgebiet besetzt werden. Alleine im Zeitraum zwischen dem 13. Februar 1981, dem Tag der ersten Besetzung der Volmerswerther Str. 41 und dem 10. Juni, dem Tag ihrer Räumung, werden in Düsseldorf mindestens 10 Häuser besetzt. Mit dieser regelrechten Hausbesetzungs-Welle verändert sich schon bald die Zusammensetzung der BesetzerInnen.
Die Düsseldorfer HausbesetzerInnenbewegung ist zu Beginn achtziger Jahren “ eine sehr heterogene Gruppe. [1176] Diese Heterogenität innerhalb der Bewegung setzt sich auch innerhalb der einzelnen Häuser fort. “ Mit der Zeit wurde das Leben im Haus für den/die einzelne(n) immer schwieriger, weil wir uns einerseits kaum kannten und außerdem überhaupt nicht klar war, mit welchen Ansprüchen jede(r) von uns in dieses Haus gekommen war. [1177]
Unterschiedliche politische Standpunkte und Ausdrucksformen sind ein Spiegelbild der Vielschichtigkeit der BesetzerInnen. Es gibt “ Feministinnen, Lesben, Schwule, Punks, Alternative, Autonome [1178] und AntiimperialistInnen [1179], aber auch No-Future-Leute, Fixer und Alkoholiker. [1180] Bei allen Unterschieden lassen sich jedoch einige Hauptströmungen erkennen:

  1. “Leute, die nur aus Spaß und Action Häuser besetzen,
  2. Leute, die allein gegen die Vernichtung billigen Wohnraums Häuser besetzen,
  3. Leute, die aus anderen politischen Zusammenhängen Häuser besetzen,
  4. Leute, die sich solidarisch zur Guerilla und zu den Gefangenen verhalten und Häuser besetzen [1181], und
  5. Leute, die billig und kollektiv wohnen wollen.


3.2.2 Die BesetzerInnen im Spiegel der Medien

Bei einer Betrachtung der Düsseldorfer Presse jener Zeit fällt auf, daß die HausbesetzerInnen dort, den Strömungen entsprechend, mit sehr unterschiedlichen Begriffen belegt werden, wie die drei folgenden Beispiele zeigen:

  1. Die TeilnehmerInnen der Benrather Besetzungen sind laut Presseberichten überwiegend ‘Jugendliche’, die mit dem Jugendzentrum ‘Haus Spilles’ in Verbindung gebracht werden. [1182]
  2. Die BesetzerInnen der Suitbertusstraße werden als ‘wohnungssuchende Erwachsene mit Kindern’, die gegen Wohnraumzerstörung protestieren, bezeichnet. [1183] Über die Besetzung berichtet die Düsseldorfer Presse weitgehend ‘neutral’ - mit leicht positiver Tendenz..
  3. Hingegen werden die BesetzerInnen der Volmerswerther- und der Neusser Straße oft mit Begriffen wie ‘Gewalttätigkeit’, ‘Krawallen’ und ‘Chaos’ in Verbindung gebracht.

Die Einteilung in verschiedene Kategorien von BesetzerInnen durch die Medien wird oft von PolitikerInnen übernommen. Sie wird benutzt, um das Phänomen Hausbesetzungen zunächst ‘einsortierbar’ zu machen. Der artikulierte soziale (zum Teil antikapitalistische) Protest wird aufgespalten in ‘gute’ und ‘böse’ Formen, in ‘Jugendprotest/Wohnungsnot’ und ‘Punkerkrawalle’.

3.2.3 Die Häuser und die Punks

Insbesondere bei der Volmerswerther Str. 41 und der Neusser Straße 77 wird im weiteren Verlauf zunehmend von ‘Punk-Häusern’ gesprochen. [1184]
Einerseits ist es richtig, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt die BewohnerInnen dieser Häuser zu einem immer größeren Teil aus der Punk-Szene kommen. Das ist damit zu erklären, daß zu Beginn der achtziger Jahre auch die bundesdeutsche ‘Punk-Welle’ auf ihrem Höhepunkt angelangt ist. “ Düsseldorf entwickelt sich zum ‘Punker’-Zentrum mit Treff in der Altstadt. [1185] Die Ratinger Straße, insbesondere der ‘Ratinger Hof’, avanciert zum überregionalen PunkerInnen-Treff. Dieser erreicht mit seinen Konzerten [1186] schnell den internationalen Ruf eines Szenelokals, über das seinerzeit selbst der Spiegel einen ausführlichen Artikel schreibt. [1187]
Andererseits wird mit der Bezeichnung ‘Punk-Häuser’ eine Politik der Ausgrenzung betrieben. Die Punks sind bei einflußreichen Teilen der Düsseldorfer Bevölkerung [1188] keine gern gesehenen Gäste. Die Düsseldorfer Presse beginnt ab Juni 1981, sich systematisch auf die ‘gewaltbereiten Punker’ einzuschießen. [1189] Von da an spielen Gründe und Ziele der meisten Hausbesetzungen keine große Rolle mehr in den Medien. Es wird fast ausschließlich über ‘Terroranschläge’, ‘Drogenkonsum’ und ‘Gewalt’ berichtet.

3.2.4 Die Polizei

Ende Mai 1981 stellt die CDU im Rat die Anfrage: “ Welche Maßnahmen werden ergriffen, um im Zusammenwirken mit der Polizei die genannten Mißstände abzustellen? [1190]
Polizeipräsident Liskens und der Chef der Schutzpolizei, Otto Gbureck, stehen den PolitikerInnen am 4. Juni 1981 ‘Rede und Antwort’. Auf das ‘Punker-Problem’ angesprochen, erklärt Gbureck: “ Seine Abteilung habe keine Erkenntnisse gewinnen können, die auf eine gewalttätige Gruppe schließen lasse. (...) Zwar habe es in der Vergangenheit mehrfach Einsätze seiner Beamten gegeben, doch seien dabei ‘Punker’ in vielen Fällen von Bürgern provoziert worden. [1191]
Liskens plädiert für ‘mehr Gelassenheit’ im Umgang mit den HausbesetzerInnen. [1192]
Die CDU-Ratsfraktion und die Düsseldorfer Presse greifen das polizeiliche Deeskalationskonzept scharf an und schieben den “ Polizeipräsidenten in [die] Schußlinie.[1193] Liskens Analysen werden als ‘verharmlosend’ kritisiert und es wird behauptet, daß selbst “ der Streifenpolizist den eigenen Chef nicht mehr versteht. [1194]
Mit der Aussage, “ es ist an der Zeit, daß die Polizei sich endlich zu einer ehrlichen Standortbeschreibung aufrafft [1195] wird die gesamte ‘Düsseldorfer Linie’ in Frage gestellt. Diese auf Deeskalation ausgerichtete Polizeitaktik, beschreibt Liskens so: “ Wo man problemoffen miteinander redet, ist kein Raum für die Annahme einer ‘verwerflichen’ Gewaltanwendung ”.[1196] Daß der Sozialdemokrat Liskens von dieser Linie überzeugt ist, wird in einem von ihm verfaßten Bericht über ‘Protest und Polizei’ deutlich.
Die Bewahrung des inneren Friedens bei uns beruht maßgeblich auf der Offenheit unserer Verfassungsordnung für alternative Ideen und Lebensweisen, auf dem Legitimationszwang für staatliche Eingriffe in die Freiheit, auf der Bereitschaft der Bürger zum Widerspruch gegen jede Intoleranz. Die Um- und Abwege der Gesetzgebung und Rechtsprechung bei der Behandlung von anderen Minderheiten, etwa bei Ausländern, Kriegsdienstverweigerern aus Gewissensgründen, Angehörigen extremistischer Parteien etc., sollten uns warnen, für unbequeme Demonstranten ähnliche stigmatisierende Rechtsregeln aufzustellen. Es gilt auch hier (...) mit Mut zum Risiko und mit der Mühsal der Toleranz zu leben. [1197]
Liskens, soviel ist klar, unterstützt mit dieser Polizeilinie das deeskalierende und integrative Konzept der Krisenbewältigung, das die sozialdemokratische Mehrheit im Rathaus zusammen mit ‘ihrem’ Sozialdezernenten Ranz durchzusetzen bemüht ist. Oberstes Ziel ist dabei, die ‘Ruhe’ in der Stadt wieder herzustellen.
Daß diese ‘Düsseldorfer Linie’ zwei Seiten hat, zeigen die folgenden Beispiele:

 


[1176] Weidenhaupt, H., Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, 10. Aufl., S. 247.
[1177] Die InstandbesetzerInnen der Neusserstr. 77 in: Sägespan, Nr.11, 1981, S. 10.
[1178]Die Autonomen können als ein ‘Entmischungsprodukt aus verschiedenen (Teilbereichs-) Bewegungen, so der Spontis und Stadtindianer, der Stadtteil- und Knastinitiativen, der Hausbesetzer- und der Anti-KKW-Bewegung’ (Manrique 1992) bezeichnet werden. Beeinflußt wurden sie von der ‘Autonomia’ in Italien Mitte der 70er Jahre und dem dort geprägten Begriff der Autonomie’. ” - Nagel, T., Die Häuser gehören uns, S. 150. Die in der Öffentlichkeit oft nur als ‘Schwarzer Block’ bei Demonstrationen wahrgenommenen ‘Autonomen’ sehen “im Häuserkampf die Möglichkeit (...), Zusammenhänge der Teilbereiche klarzukriegen und aus der Erfahrung der letzten Jahre des entfremdeten Nebeneinanderherarbeitens rauszukommen und auf dieser Grundlage zu einer klaren Strategie und Taktik hier in der Metropole BRD zu kommen. (...) Die Häuser können die Nester sein, von denen aus der Widerstand zusammenhängend gegen den Imperialismus organisiert und praktisch wird. Wir im Haus als autonomes, kämpfendes Kollektiv, das muß das Ziel sein!!!”, Sägespan Nr. 11, 1981, S. 31. Konkret heißt das: Häuserkampf ist das zentrale Mittel zum Zweck - nämlich Angriff und (perspektivisch) Zerstörung des imperialistischen Systems.
[1179]Die AntiimperialistInnen, oder auch ‘Antiimps’, haben ihren geschichtlichen Hintergrund in der Gefangenenarbeit. Dies ist auch heute noch ein Schwerpunkt, was sich z.B. in Initiativen zur Zusammenlegung der politischen Gefangenen ausdrückt. Anderer Schwerpunkt ist ein Internationalismusverständnis, welches sich in der Solidarität zu Befreiungsbewegungen ausdrückt. In den letzten Jahren werden AntiimperialistInnen zunehmend als ‘legaler Arm’ der RAF kriminalisiert und einige wurden bis zu 10 jährigen Haftstrafen, (wegen § 129a / Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) verurteilt, ” Nagel, T., Die Häuser gehören uns, S. 150.
[1180] Ebenda, S. 10.
[1181] Sägespan, Nr. 11, 1981, S. 32.
[1182] Vgl. BT, 25.4.81.
[1183] Vgl. NRZ, 6.4.81.
[1184] Vgl. u.a. RP, 30.5.81.
[1185] RP, 30.6.81.
[1186] Im ‘Ratinger Hof’ spielten viele (Punk-) Bands von internationalem Ruf. Düsseldorf erlebte zu dieser Zeit auch seine musikalische ‘Blütezeit’. Bands wie ‘Kraftwerk’, die ‘Toten Hosen’, ‘Harakiri Whoom’, ‘La Düsseldorf’, ‘DAF’, ‘Nichts’, ‘Akte Krüll’, ‘Östro 430’, ‘Krupps’, ‘der Plan’, und viele mehr, kamen zu dieser Zeit aus Düsseldorf. vgl. Fandango e.V., Stadtbuch Düsseldorf 1988, S. 149 ff.
[1187] Vgl. ebenda, S. 149.
[1188] U.a. beschweren sich die EigentümerInnen renomierter Gastronomiebetriebe über die Punks, vgl. RP, 10.6.81.
[1189]Punker-Terror auf der Kö! ”, Bild, 11.6.81, “ Schon wieder Punker-Terror! ”, Bild, 12.6.81.
[1190] Als schwerwiegenden Mißstand bezeichnet die CDU die Belästigung von AnwohnerInnen durch Punks. Es wird vermutet, daß auf der Volmerswerther Str. 4 “ Minderjährige aufgenommen und zu Drogenkonsum, sexuellen Handlungen und Alkoholmißbrauch angehalten werden ”, RP, 30.5.81.
[1191] RP, 5.6.81.
[1192] Vgl. ebenda.
[1193] RP, 10.6.81.
[1194] Ebenda.
[1195] Ebenda.
[1196] Dr. H. Liskens, Protest und Polizei, in: Düsseldorf und die Polizei, 1984, S. 96.
[1197] Ebenda, S.99.


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