Zu Beginn des Wintersemesters 1994/95 bieten die
ASten von Fachhochschule und Heinrich-Heine-Universität - wie
schon in den Jahren zuvor - Notschlafplätze für diejenigen
StudienanfängerInnen an, die - meist von außerhalb kommend -
noch keine Wohnung in Düsseldorf gefunden haben [1562]. Und so wohnen ungefähr
20 StudentInnen [1563] - die
meisten von ihnen studieren Sozialpädagogik/-arbeit - für
etliche Wochen im Oktober/November 1995 im ‘rustikal’
eingerichteten Partykeller eines StudentInnen-Wohnheims an der
Strümpellstraße in ein bis zwei Räumen auf Matratzenlagern. [1564] Kurz nach den
Einführungswochen, am 11. Oktober 1994, gründen Erst- und
höhere Semester zusammen mit einigen ‘Kellerkindern’ bei
einem Treffen zur Wohnungsnot dann die ‘Initiative
Kaiserswerther Straße’.
Im Norden Düsseldorfs, ganz in der Nähe des FH-Standpunktes
Georg-Glock-Straße in Golzheim (wo auch der AStA der FH zu
finden ist) stehen an der Kaiserswerther Str. 288-294 zu diesem
Zeitpunkt schon seit etlichen Monaten vier ehemalige Häuser der
Britischen Streitkräfte leer. Die Offiziere und ihre Familien
waren im Rahmen des Truppenabzugs aus den 16 jeweils 170 qm
großen Wohnungen ausgezogen, die dann in den Besitz des Landes
NRW übergingen. [1565]
Die Initiative beschließt bei ihrem ersten Treffen, die Häuser
für wohnungslose oder -suchende StudentInnen und andere Menschen
mit geringem Einkommen zu fordern - und zwar für ein
selbstverwaltetes Wohnprojekt. Eine Übernahme der Häuser durch
das Studentenwerk, das bei den ASten und vielen StudentInnen
keinen allzu guten Ruf genießt, wird ausdrücklich abgelehnt. [1566]
Die Initiative versucht, die noch existierenden
wohnungspolitischen Initiativen in Düsseldorf (aber auch linke
Parteien und Gruppen, die zu sozialen Themen arbeiten) an einen
Tisch zu bekommen. Damit soll an die ‘alte’ Koordinierung
angeknüpft werden. Von ungefähr 25 angeschriebenen Gruppen
erscheinen zu keinen Zeitpunkt mehr als 6 oder 7. Nach einigen
Treffen, auf denen u.a. damit begonnen wird, ein
wohnungspolitisches Grundsatzpapier für Düsseldorf zu
erarbeiten, und einer Aktion vor dem Wohnungsamt, [1567] müssen die wenigen
übriggebliebenen AktivistInnen/Gruppen jedoch konstatieren, daß
dieser Anlauf zu einer neuen Koordinierung für’s erste
gescheitert ist. Die Arbeit (z.B. Einladungen verschicken,
Treffen vorbereiten) blieb an zu wenigen Menschen hängen. [1568]
Sehr viel Wert wird auf Pressearbeit gelegt. Nach einer
Pressekonferenz in der Notunterkunft im StudentInnenwohnheim,
berichten am folgenden Tag alle Zeitungen Düsseldorfs über
studentische Wohnungsnot und die leeren Häuser im Norden
Düsseldorfs. [1569] Kurze
Zeit später werden PolitikerInnen von Stadt und Land
angesprochen und die Öffentlichkeit mit Flugblättern und
Plakaten informiert.
Einige PolitikerInnen, wie die SPD-Landtagsabgeordnete Brigitte
Speth, zeigen sich verständnisvoll und versprechen, sich für
die Projektidee einzusetzen. [1570]
Von den meisten PolitikerInnen und Verwaltungsstellen kommt
allerdings keine Rückmeldung. Mit einer Ausnahme: Ein
Mitarbeiter des NRW-Finanzministeriums erteilt der Initiative,
die für den 2. November 1994 zu einem Gespräch einlädt, mit
den Worten "Die Häuser sind zum Verkauf vorgesehen und
dabei bleibt es. (...) Ich war ja selber mal Student und da hab’
ich mich auch durchschlagen und (...) hart arbeiten müssen"
[1571] eine klare
Absage.
Gleichzeitig wird immer offensichtlicher, daß das
Finanzministerium, als Eigentümer der Häuser, diese so schnell
wie möglich zu Höchstpreisen an einen privaten InvestorInnen
verkaufen will, um die maroden Landesfinanzen etwas aufzubessern.
Ein möglicher Käufer aus Mönchengladbach erklärt dann auch
vor laufender WDR-Kamera, daß er die Häuser gerne abreißen
würde, um dort neue Wohnungen zu bauen.
Am 24. Januar 1995 beantwortet Oberstadtdirektor Hölz eine
Anfrage des CDU Ratsherrn Lehne zu ehemaligen Wohnungen der
Britischen Rheinarmee wie folgt: Insgesamt seien den britischen
Streitkräften im Bereich Düsseldorf 597 Wohnungen überlassen
worden, davon 511 im Eigentum des Bundes und 67 im Eigentum des
Landes. Bis zum 1. Januar 1995 habe die Rheinarmee 139 Wohnungen
zurückgegeben - 89 an den Bund und 31 an das Land.
Landesweit werden in den nächsten Jahren 17.000 Wohnungen von
den alliierten Streitkräften geräumt. Zwar werden ca. 60
Prozent davon wieder an ihre privaten Eigentümer zurückgegeben,
die restlichen 40 Prozent - ungefähr 6.800 Wohnungen - gehören
allerdings der Öffentlichen Hand (davon 590 dem Land NRW) und
könnten als preiswerter, sozial gebundener Wohnraum erhalten
bleiben. [1572] “Angesichts
der Lage auf dem Wohnungsmarkt, die weiterhin durch eine starke
Nachfrage nach preiswertem Wohnraum gekennzeichnet ist, stellt
sich die Aufgabe, die derzeit im Besitz von Bund und Land
befindlichen Wohnungen für die Nutzung durch Haushalte mit
niedrigen und mittleren Einkommen zu sichern .”[1573]
Am 25. Januar sind die sogenannten ‘Rheinarmee-Häuser’ an
der Kaiserswerther Straße Gegenstand der mündlichen Anfrage Nr.
639 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die
SPD-Landesregierung. Im Protokoll dieser Sitzung ist zu lesen:
“Abgeordneter Dr. Busch (Düsseldorf) (GRÜNE): ‘Herr
Finanzminister, darf ich Ihre Antwort so zusammenfassen, daß Sie
einem Verkauf des Grundstücks und der Gebäude an der
Kaiserswerther Straße nur dann zustimmen werden, wenn der
Bestand der Wohnungen gesichert wird?’ (...) Finanzminister
Schleußer: ‘(...) Ich beabsichtige nicht, Eigentümer dieses
Grundstücks zu bleiben.’ Abgeordneter Dr. Busch (Düsseldorf)
(GRÜNE): ‘(...) Also bitte, klar und deutlich: ein Verkauf nur
unter der Bedingung der Sicherung der Wohnungen, ja oder nein?’
Finanzminister Schleußer: ‘Herr Abgeordneter, Sie haben ein
Recht, daß ich Ihre Frage beantworte, aber nicht, wie ich sie
beantworte. Die Antwort, die ich Ihnen geben kann, lautet: Ich
will nicht Eigentümer dieses Grundstücks bleiben .’”[1574]
Zu diesem Zeitpunkt plädieren alle im Rat der Stadt
Düsseldorf vertretenen Parteien (SPD, CDU, Grüne) und die
Landtagsfraktion der Grünen für einen Erhalt der Häuser als
Sozialwohnungen. Das städtische Wohnungsamt leitet wegen des
langen Leerstandes der Häuser sogar ein Bußgeldverfahren gegen
Finanzminister Schleußer ein. Ihm wird ein Verstoß gegen das
Zweckentfremdungsverbot vorgeworfen. [1575]
[1562] Zum Vergleich: Nach Angaben von Universität und
Fachhochschule werden für das WS 1995/96
2.670 StudienanfängerInnen erwartet, vgl. Antenne Düsseldorf,
3.8.95, 7.15 Uhr.
[1563] Sie bezeichnen sich selbst als ‘Kellerkinder’.
[1564] Vgl. WZ, 21.10.94.
[1565] Vgl. RP, 21.10.94.
[1566] Neben viel zu teuren Mieten - 380 DM/warm für ein
25qm-Zimmer - kritisieren die Asten von FH und Universität schon
seit längerem Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von
Wohnheimplätzen und z.T. ungültige Mietvorschriften für das
Wohnen in StudentInnenwohnheimen. Bei einem von den ASten in
Auftrag gegebenen Gutachten wird festgestellt, daß ca. zwei
Drittel der ‘Allgemeinen Mietbedingungen zum Wohnen in
Studentenwohnheimen’ entweder rechtswidrig oder zumindest
äußerst fragwürdig sind.
[1567] Vgl. Reader Kaiserswerther Straße, S. 20 ff.
[1568] Vgl. ebenda, S. 19. Weitere Gründe für das Scheitern
dieses Versuchs werden wir in Kap. C. VI. 4. (Zusammenfassung und
Fazit) erläutern.
[1569] Vgl. Reader Kaiserswerther Straße, S. 10 ff.
[1570] Das wird jedoch nicht geschehen.
[1571] Ebenda, S. 16.
[1572] Vgl. NRZ, 19.4.95.
[1573] aus einer Pressemitteilung des Ministeriums für Bauen
und Wohnen NRW vom Oktober 1994.
[1574] Landtags-Protokoll, 25.1.95.
[1575] Vgl. RP, 16.2.95.