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Dieses Bild der wild knüppelnden und verhaftenden Polizisten wird noch abgerundet durch die Art der Beweissicherung (Pflastersteine von der Straße in Tüten gepackt, Polaroidfotos usw.), der gegenseitigen Absprachen über gemeinsame Zeugenaussagen, der Schnellidentifizierung durch das Zellenguckloch und nicht zuletzt die schon vorgetippten, fast identisch lautenden Haftbefehle, auf denen oft noch nicht einmal die Ortsangaben stimmten. Kein einziges Mal erging am Freitag, wie sonst bei Demonstrationen üblich, eine dreimalige Aufforderung, Vermittlungsversuche durch BI-Vertreter wurden abgelehnt, es existierte praktisch keine Einsatzleitung.

Die "Gesetzeshüter" schreckten selbst davor nicht zurück, Menschen aus Häusern rauszuprügeln und je nach Laune auch einige zu verhaften. Von wem eigentlich die Gewalt ausging, zeigen die Aussagen über Schikanen und Mißhandlungen während der Verhaftung und in den Einsatzwagen, die menschenunwürdige Behandlung auf den Revieren und im Knast.
Zur Zeit stehen vier Prozeßtermine fest, die alle in den Sicherheitsbereich gelegt sind. Ungefähr fünfzehn Anklageschriften sind verfaßt, es treffen laufend neue ein. Die genannten Haftbefehle lauten auf: schweren Landfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung, Sachbeschädigung.

WICHTIG!

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, sind insgesamt über hundert Personen festgenommen worden. Es wäre ein Trugschluß,wenn alle diejenigen, die seither nichts mehr von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gehört haben, annehmen würden, damit wäre die Sache für sie abgeschlossen. Denn es ist erfahrungsgemäß so, daß auch eine entsprechende Anzahl von Ermittlungsverfahren laufen, soweit zumindest die Personalien aufgenommen worden waren. Das hängt damit zusammen, daß den Betroffenen in der Regel nicht mitgeteilt wird, daß ein solches Verfahren eingeleitet worden ist.

Das heißt konkret: Schreibt unbedingt Gedächtnisprotokolle, soweit ihr es noch nicht getan habt und bringt sie dem Ermittlungsausschuß, der auch weiterhin jeden Donnerstag ab 19 Uhr zu erreichen ist. Versucht Zeugen möglicherweise über den Ermittlungsausschuß zu finden, denn in einigen Monaten (solange kann es nämlich dauern, bis ihr vielleicht eine Vorladung erhaltet) erinnert sich kaum noch ein Mensch an Einzelheiten dieser Horrortage und -nächte.

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