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che blieben ungeklärt. Überhaupt nicht verfolgt wurde in den polizeilichen Ermittlungen ein Verstoß gegen die Polizeidienstvorschrift "PDV 100", nach der vor Einsätzen in Bahnhöfen und anderen gefährlichen Gebieten der Verkehr gestoppt werden muß.

Auf die Spitze trieb es die Polizei jüngst am 24. September 1981, am Tage der Solidaritätsdemonstration mit den Berliner Hausbesetzern: Als die Demonstration an der Sternschanze ankam, war der Bahnhof weiträumig von der Polizei abgesperrt, benachbarte Bahnhöfe waren ebenfalls gesperrt. In der Folge mußten die Demonstranten weiterziehen und es gab eine brutale Hetzjagd der Polizei gegen sie. Stellungnahme der Polizei: "Ha, glauben Sie denn, wir wollen daß da noch mal jemand unter die Räder kommt.... . "

Auffällig ist, daß den einzelnen vernommenen Polizisten ihr Tun nicht ganz geheuer ist; sie versteifen sich auf die Vogel-Stauß-Perspektive und wissen angeblich weder, mit welchem Einsatzbefehl sie überhaupt im Einsatz waren, noch wollen sie am Sturm auf den Bahnhof beteiligt gewesen sein.

Deutlich in die Offensive ging nur der Einsatzleiter der Hundertschaft. Für ihn sind die Demonstranten eine "Gruppe hochkarätiger Anarcho-Krimineller", durch deren Anwesenheit für die Polizei "ein höchster Gefährdungsgrad gegeben" war. Er gibt auch zu, daß seine Leute in den Bahnhof gestürmt sind, allerdings bleibt der Grund dafür im Dunkeln. Und dieser Herr wird von höchster Seite gedeckt. Der Einsatzbefehl, der auf "Sicherstellung des Lautsprecherwagens" lautete, (Anm.: Dieser befand sich zum Zeitpunkt des Polizeiangriffs gar nicht mehr am Bahnhof) wurde zwischenzeitlich vernichtet.

Letztlich versuchten die polizeilichen Ermittler die Ereignisse vollends auf den Kopf zu stellen. Da wurde aus hochausgerüsteten, prügelnden Polizisten von Steineschmeißern bedrohte Beamte und aus der Flucht auf die Gleise ein mutwilliges Verlassen des Bahnsteiges zum Steineschmeißen.

Mit der Eröffnung eines Verfahrens kann aufgrund dieser Ermittlungen nicht gerechnet werden. Zu erwarten ist eine offizielle Mitteilung, daß das Verfahren gegen die eingesetzten Polizisten nicht eröffnet wird, da kein Zusammenhang zwischen dem Polizeieinsatz und Olafs Tod zu ermitteln sei, und damit die offizielle Sprachregelung eines "bedauerlichen Vorfalls" (Staack) besiegelt wird.

Auf der Kundgebung am 24.9.81 haben wir unsere Erfahrungen bei der Aufklärung des Todes von Olaf Ritzmann zusammengefasst: "Wir wissen, wer die Schuldigen für den Tod von Olaf Ritzmann hier an der Sternschanze und den Tod von Klaus-Jürgen Rattay vor zwei Tagen in Westberlin sind.

Wir wissen auch, daß wir nicht nur die Opfer der staatlichen Gewalt tragen müssen, sondern es auch allein an uns liegt, die tatsächlichen Geschehnisse zusammenzutragen und an die Öffentlichkeit zu bringen. Auf unabhängige Gerichte oder gar polizeiliche Aufklärung können wir uns nicht verlassen. Mit dieser Gegenöffentlichkeit, die die offiziellen Versionen zum Tod von Olaf Ritzmann genauso erschüttert hat, wie die Lügen von Innensenator Lummer und seiner Polizei, schaffen wir für uns auch ein kleines Stück dazu, Angst, Wut und Trauer über die Toten umzusetzen in neue Hausbesetzungen, Aktionen gegen Kriegsgefahr, Atomenergie und gegen diesen mörderischen Staat."

Ermittlungsausschuß zum 25.8.80
c/o Bunte Liste, Bartelstr. 26
2000 Hamburg 6
 

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