war ja nich da, hatte Jochen gegrunzt. Irgendwann, auf einem Filmplakat hatte Erich damals gelesen: JEDER FÜR SICH, nur danach noch, GOTT GEGEN ALLE, und jetzt steht er hier.

Steht mit dem Kleinen gemeinsam im Imbiß, und über die Fahrbahn kommen die Bullen gemächlich auf den Imbiß zu. Behäbig sieht sich Erich um - »was machst du hier denn überhaupt?«. Besuch, murmelt der Kleine, is illegal, dann lächelt er betrunken, bin sowieso woanders, nicht mehr bei diesem Weib.

Und Erich nimmt den Kleinen, verschwiemelt im Gesicht und lallend, ruhig an der rechten Hand und legt den zweiten Arm behutsam um die Schultern der dünnen Frau im dünnen Pelz, tritt vorsichtig vor die jetzt vom Besitzer eilfertig aufgehaltne Tür, verbeugt sich, wünscht auch: »Guten Tag«, dann piekt ein Bulle Erich den Stock zwischen die Rippen, stochert darin und wispert: Was wolln wir drei denn hier?

Kurzes Schweigen, unvermittelt: Ej, du Würstchen, laß das! ruft der Kleine, keine Zähne im Maul, aber pfeifen, rennt schwerfällig los. Und wird von den Verfolgern nach zwei, drei Schritten eingeholt, beiläufig umgestoßen. Und sorgfältig, schließlich, zusammengeschlagen, die Frau im Kaninchenfell zittert, »is besser, du drehst dich nicht um«.

Einen Lidschlag lang bleibt Erich stehen, mit ihm die Frau im schon räudigen Mantel, für Momente schließt Erich die Augen, und neben ihm stößt ihn ein Bulle, beiläufig noch, mit dem Stock. Rempelt ihn an, als er sich umdreht, und - ein leiser Unterton - Probleme?

Während Erich den Kleinen, der auf dem Pflaster liegt, betrachtet, während die Frau in seinem Arm die Hände vors Gesicht hält, dabei zittert, sticht ihm der Bulle den Stock in die Hüfte, bohrt auch ein bißchen in seinem Bauch. Schubst ihn der Bulle, der eher schmal ist, erneut und wiederholt, ein wenig schärfer: Probleme? ... Mußt du sagen, kein Problem.

Und Erich ist sehr langsam weitergegangen, und sie, die Frau im Kaninchenfellmantel, hat sich eng an ihn gedrückt. Und Erich hat sich erst später noch einmal vorsichtig umgesehen, und deshalb hat er erkennen können, wie der Kleine auf Knien, und ohne daß ihn die Bullen nach ihrer Arbeit beachtet hätten, zurück in den Imbiß gekrochen ist. Und Erich hat sich mit der Frau im räudigen Kaninchenfell Richtung Jugendzentrum entfernt. Er hat sich beherrschen müssen, um nicht loszurennen.

Als er das Jugendzentrum erreicht, steht die Tür einen Spaltbreit offen. Vor dem schon lange verstimmten Klavier hockt der Mann, der Dienstagabend jeweils einen Film vorführt. Verdattert schaut er auf, als Erich eintritt. Die Finger picken ohne ihn nach nikotingelben Tasten. Und alle meine Entchen schwimmen schon auf dem See.

Der Raum ist riesig, immer scheint es zu ziehen, Erich fröstelt. Unwillkürlich drückt er den Kopf in den ausrasierten Nacken, gut gegen die Furunkel. Der Boden ist beinahe lückenlos mit billigem Teppich ausgelegt, nur an den durchgetretnen Stellen schimmert Industrieglasboden, durch den man den Keller sieht. Als der Teppich noch nicht lag, haben die Besucher in der Tür gezögert. Kleines Lachen, kleiner Schritt: angespanntes Vorsetzen angespitzter Füße. Zustimmendes Kichern. Ein kaputter Witz.

Nun steht in der Mitte des Raumes der große Tischtennistisch. Die Kanten sind rechts und links abgestoßen. In einer Ecke kauert die Frau im abgeschabten Pelz und wimmert. Der Filmvorführer am Klavier wiederholt die Melodie. Eins, zwei, drei, vier, fünf - fünf, schwimmen auf dem See. Schwimmen auf dem See. Köpfchen in das Wasser. Schwänzchen in die Höh.

Als Erich ärgerlich gegen die Tischtennisplatte tritt, rutscht der Finger von der Taste, und der Filmvorführer mault: Es beruhigt mich. Mich nicht, faucht Erich. Ungewohnter Ärger an einem ungewöhnlichen Tag. Durch die dicken Glasbausteine fällt das bröckelige Licht einer grünen Leuchtreklame vom Bestattungsinstitut. Der Filmvorführer setzt erneut an. Sehr nah nölt eine Alarmanlage, röchelt dann und verstummt. Gleich darauf Blaulicht und Sirenen. Alle meine Entchen. Erich schließt die Tür. Rasselnd rutscht der Riegel in die neue Nut.

Der Frau in der Ecke ist alles egal. Ihr kümmerlicher Kaninchenfellmantel fällt von den mageren Schultern. Im Haar

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