hängt Lametta. Jemand klopft an die Stahltür. Krampfhaft hält die Frau die Daumen in den geballten Fäusten versteckt. Sie kaut an den Knöcheln. Das Klopfen wird stärker. Ehe Erich losläuft zum hinteren Ausgang, der durch das zweite Treppenhaus durch einen Keller auf den Hof führt, fragt er den Filmvorführer: Was ist?

Vier-vier, drei-drei, zwei, zwei, drei-drei, zwei-zwei, eins: »Ich bleibe.«

* *

22 Uhr 18. Die Nacht ist schwarz, ein großer Stein, und während Kai - Corinna kommt noch immer nicht, der Dreher bleibt verschwunden - unter dem dunklen Himmel dort auf den S-Bahn-Schienen kauert, und während ihm der Knüppel zwischen ein Abluftgitter rutscht, und während er die Bilder des endlos langen Tages zwischen den feuchten Schienen sieht, den Toten auf der Fahrbahn, der helle Fleck ist ein Gesicht zwischen dem dunkleren Asphalt, dem gleichgültigen Teerbelag, die Bullen, die sich vorbeugen, das Pärchen, das sich anschaut, einander in die Augen schaut, erschrockne Augen im Visier behäbiger Beamten, Pupillen, die dich ansehn, Helme, erhobne Hände, die, kaum ein Zögern, zuschlagen, der Blick von Manuela, als Kai das Haus verlassen will, nicht eine Viertelstunde her, die Augen von Corinna zwischen dem grünen Badeschaum, dann Küchler, auch Corinnas Vater, das hehre Haus in Dahlem, liebliche Wintergärten, die Küchler gar nicht kennen kann, Schotter zwischen zwei Gleisen... Obgleich Kai einen Nagel in seinen Oberschenkel bohrt, spürt er im Kopf die Spuren der fast vergeßnen Angst.

23 Uhr 03. Die S-Bahn ist dunkel, an den Zweigen hängen Tropfen, und Corinna kommt zurück. Alles ist vorbei. Alles kann beginnen. Kai richtet sich auf.

Die Schienen glänzen im knappen Licht der Scheinwerfer unter den Yorckbrücken, das stete Brausen des Verkehrs reicht wie das Hecheln der Hitze bis zu ihnen herauf. Kai küßt Corinna, denkt: Du duftest immer noch nach deinem Schaumbad, während er hinunter auf die Autos starrt. Noch Immer hockt der Gasometer wie eine große Kröte mit rötlich feinem Blinzeln über der kalten Haut der Stadt.

»Warum ham sie die S-Bahn, die ganzen Strecken, stillgelegt?«, sie streichelt ihn sehr vorsichtig, »was ist mit dir?«, am Kinn. Subjekte existieren nur, denkt Kai, für ihre Unterwerfung, bloß: Du! - und in Corinnas Augen blinken alle Agenturen und die Radioredaktionen, die Theater und Verlage, lächeln all die lieben Schnittchen, Roastbeef, Lachs, Shrimps, Kaviar auf allen Empfängen der Welt. Du kannst dich wieder trauen, denkt Kai, als sie ihn streichelt, und murmelt, »ich hab's mal gewußt«.

Erst als sie sich nach den Steinen zwischen den dunklen Gleisen bückt, sieht Kai, daß ihre Knie, der Boden dampft vor Nässe, ein klein wenig nach innen knicken, sieht unterm Rock den Hintern, der Druck um seine Rippen läßt langsam etwas nach. Und als sie gegenüber dem großen - »da, der Flachbau!« - Automobilgeschäft an der S-Bahn-Böschung kauern, im Schatten einer doppelten Reklame hockenbleiben, sehr dick:. FLUGHAFEN SCHÖNEFELD, daneben: FLUGHAFEN TEGEL - DAS TOR ZUR FREIEN WELT, und kurz bevor sie sich entschließen, loszulaufen, kein Auto in Sicht, um die Steine von der S-Bahn durch die Scheiben auf die neuen Limousinen, Lackkarossen, angestrahlten Sportcoupes, die im Flachbau ausgestellt und beleuchtet sind, zu werfen, sehen sie, fast unsichtbar, an dem Eckhaus gegenüber, sehn sie dort die Bullen, die nach dem Regen warten, wie Vögel auf den Wurm.

Kai krabbelt, während Corinna feixt, durchs Loch im rostigen Maschendraht zurück auf die S-Bahn und schnauft. Ein Stein prallt, klick, vom Schienenstrang zurück, klack, in den Schotter, sie faßt nach seiner Hand. »Wohin? Was jetzt? Wir könnten... «, Kai macht sich los, sie lächelt, aber das sieht er nicht. Denn wieder hockt die Kröte auf seiner Brust und atmet sehr langsam ein und aus.

* *

Ich weiß es nicht, sagt Jochen, ich weiß es einfach nicht. Während er sich, ein Tippelschritt, in jede Richtung umschaut, kein

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