Leute - und hier aus dieser Wohnung, hier weggekommen zu sein.
»Willste'n Zug? Is'n tierischet Horn. Oder immer noch bloß
Sportler?« Kiffen und Canasta, Lächeln, aber nur halb.
Wozu, fragt Kai, noch ohne Orientierung, soll der Propangaskocher sein?
- »Dit ham wa uns privat jeholt, dit kommt uns, Scheiße, billijer
als der verfickte Strom.«
Und während er noch dasitzt, mit seinem halben Gesicht, halb hängt
zum Teller mit Goldrand der Mundwinkel runter zum Hals, trägt der
zweite, der mit dem Zucken vom Kinn hoch zum Auge - Hier drinne, denkt
Kai leise, riecht's wie bei alten Fraun - nur seinen leblosen Körper
zum Gruppenbild mit Sofa bei.
»Kennst du doch, was ist der Unterschied zwischen einem Epilepi
oder Milchreis, weil der eine: liegt in Zimt und Zucker, und der andre,
hahaha, liegt im Zimmer und zuckt, verstehste?« - Asbach, hatte
Kai erwidert, nee, Schatz, verstehe ich nicht.
Lange her. Und jetzt sagt die Dicke, die dritte im Trio, während
sie sich aus der Küche gemütlich auf Kai zuwälzt: Siehst
nicht besonders gut aus. Und danach drückt sie Kai an ihre trotz
der Körperfülle verblüffend kleine Brust.
»Fühl mich auch eher mäßig«, Kai grinst, verrutschte
Rippen, noch immer die Umarmung - »Kai, Schatz, wat sind wir alt,
nich? Weeßte noch, wie wir damals?« - Klar, Schnubi, denkt
Kai, ich im Sessel, du auf den Knien und Suckeln, komisch, dein ganzer
Körper roch immer nach Menstruation.
Willste wat essen, fragt sie ihn. Nö danke, sagt Kai, is schon jut.
»Wat willste denn? - Nu laber schon!«, der mit dem hängenden
Gesicht - Hier, denkt Kai, machst du keine Schnitte, und keiner geht in
Trauer, sobald du dich verpißt.
Chou-chou. Als das mit der Gesichtslähmung anfing, standen sie, knapp
zurück vom Krafttraining, in der Küche, mehr Nische als Küche,
köchelten am Gasherd Reis mit Rührei.
Nachdem Kai nach der Ketchupflasche gefragt und keine Antwort bekommen
hatte, darum noch einmal gefragt, sich schließlich umgewandt hatte
und - »Scheiße, wo bist du?« - genörgelt hatte:
Im Klo oder wo? war er am Ende rübergegangen, ins Zimmer, und hatte
den Freund vorm großen Spiegel stehen sehn. Ej, kiek ma, hatte der
Freund gesagt, während er sich immer wieder die linke Wange gerieben
hatte, is schon janz taub, ej, faß ma an, dit Ooje, dit krieje ick
ooch schon ja nich mehr janz richtich zu.
Ins Krankenhaus, hatte Kai gesagt. Will ick nich hin, hatte er gesagt.
Doch, hatte Kai gesagt, willst du.
Kann weggehn, hatten die Ärzte im Krankenhaus gesagt, kein Sport,
kein Kaffee, kein Alkohol - wo ist der Krankenschein?
Kein Krankenschein, hatte der Freund gesagt. Den schicken Sie, hatten
die Arzte gesagt, woher es kommt, wissen wir nicht: kann bleiben, kann
auch weggehn. Kein Streß, keine heißen Getränke, keine
Reizstoffe, Drogen schon überhaupt nicht, woher es kommt? Is unklar.
Auf dem Krankenhausflur, zwei Stockwerke tiefer, hatte der Freund sich,
»geht gleich wieder«, auf eine der abgestellten Liegen gesetzt,
auf denen man die Operierten durch die endlosen Gänge schiebt, und
hatte geweint, ohne Schluchzen, weil er verloren hatte, und nur noch die
Tränen rutschten über ein wundes Gesicht in die Welt.
Nachts hatte ihm Kai das Auge mit Heftpflaster und einer Mullbinde, mit
einem gepolsterten Deckel verklebt, mit Leukoplast das Lid am Wangenknochen
befestigt. Tagsüber hatte ihn die Dicke, die war auch damals dauernd
da, solange er nicht reden wollte, mit Fruchtyoghurt gefüttert, das
mit dem Auge - »Kann austrocknen sonst, darum noch nachts die Pflaster«
- hatte sich bald gegeben, das mit dem Mundwinkel blieb.
»Wat willste nu?«, der mit dem hängenden Gesicht, »Keule,
bissu taub jeworden? Oda redeste immer noch nich so mit jeb'm - oder nur
nich mehr mit uns?« Ich brauch deinen Ausweis, sagt Kai - und erzeugt,
indem er die Luft durch eine kleine Zahnlücke zieht, ein pfeifendes
Geräusch - wir sehn uns ähnlich. Wozu, fragt die Dicke.
Is meine Sache, murmelt Kai, während er jetzt bedauert, daß
er die Polizeipistole in einen kleinen Kabelschacht bei einem Stellwerk
auf der S-Bahn geworfen hat, is weg.
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