- ultramarin und zinnober, rot, orange, gelb, grün und lila, winzige Prismen auf einer Haut, die unter dem Fingerdruck nachgibt und in die welken Blätter - »Chicoree, Schätzchen« - verläuft.

Der Reichtum der Gesellschaften, ist innen an die Kühlschranktür geschrieben, erscheint als eine ungeheure - dann, doppelt unterstrichen - Warensammlung auf Eis.

Das Flattern der Finger, du ballst deine Hände, du beißt dir in Knöchel und Ballen, versteckst deine Augen und mahlst mit den Zähnen, die Sehnen treten am Hals hell hervor. 13 Uhr 33. Die Nützlichkeit eines Dinges macht es zum Gebrauchswert. Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur in der Konsumtion.

Du wirst dich umgesehen haben, du wirst, das weißt du, geschrien haben, du wirst, wahrscheinlich, aufgestampft haben, du wirst, das ist nicht sicher, auf den Bus mit dem Fahrer zugerannt sein. Der Reichtum der Gesellschaften, die Nützlichkeit der Dinge. Du wirst, das spürst du jetzt noch, niedergeschlagen, zur Seite gestoßen worden, aber entkommen sein. Weil die Bullen den Bus und den Toten gegen die übrigen abgeschirmt haben - du wirst Richtung Kleistpark und weiter gelaufen sein, »bitte ein Taxi!«.

Du wirst dich noch einmal umgedreht haben, du wirst mit erhobenen Händen rückwärts zurückgewichen sein, du wirst, weil du geweint hast, und weil du fast gestolpert bist, nur undeutlich gesehen haben: Bullen beugen sich über ein Gesicht im Asphalt.

Manchmal muß es eben Mumm sein, oben tappeln dünne Schritte einer ausgedörrten Frau über abgezogne Böden oder ausgesuchte Läufer, diesmal was aus Platin, Liebling, ich-du-er-sie-es trinkt Wein, wir-ihr-sie trinkt abends Whisky, Kai, Artist und blond und Kämpfer, kickt, die eineinviertel Drehung, mit der Hacke an den Kühlschrank, lasch klappt die butterweiche Tür geräuschlos in das mürbe Gummi, noch immer hockt der Tote dicht vor ihm und lächelt ihn an. Denn sobald einer wie ein Hund liquidiert wird, muß er mit allen Mitteln danach trachten, sein Gewicht als Mensch noch einmal, während er stirbt, wiederherzustelln.

Kai schüttelt sich, der Tote bleibt. Das Leben, denkt Kai angestrengt und grinst noch, aber schon verwischt, wird wie die Reste edler Speisen vom Rand her grau, das Brot liegt hart und krümelig in einer offnen Spülmaschine, der Abwasch blüht im Waschbecken, das Mädchen ist aus Polen, kommt aber morgen erst.

Und obwohl Kai den Kaviar über dem scheelen Gummibaum, der, längst von Läusen ausgesaugt, kränklich am Fensterglas verschmiert, sehr sorgfältig verteilt, hockt: RAFft euch auf, RAFft euch zusammen, in allen Ecken der endlosen Küche, der mit der blutigen Gosche und der verstümmelten Brust.

Er ist tot, sagt der Sprecher im Radio, und während Kai kippelt, sagen Corinnas Eltern, alle hocken im Wintergarten um einen Eisentisch und Pizza - »Vier Stück vom nahen Bringedienst!« - jetzt müßte, sagen die Eltern, Kai wäre beinah umgekippt, das Mampfen ihrer Münder: Ein Schweigetrauermarsch.

Jetzt muß, murmelt der Vater, ein Mann mit grauen Haaren und einer großen Brille, immer knicken die Schultern schief an der Last der Wolle: Ein Schweigetrauermarsch.

Aus seinen aus dem deutschen Herbst nie aufgetauchten Augen redet die säuerliche Angst um seine kleine Tochter, die ihn verlassen wird. Und während der Mann im Radio, Kai wäre beinah umgekippt, den Tod - RAFft euch zusammen! - mehr beiläufig vernäseln läßt - immer, denkt Kai und kratzt sich, bleiben die meisten Dinge, wie sie schon immer warn.

Aber reden wir von uns. Was haben wir gemeinsam? Nicht mehr als eine Nase, zwei Augen und zwei Ohrn.

Is was, fragen die Eltern. Iß was, sagen die Eltern. Ich kann nicht, murmelt Kai - »Wieso?« - Mein Magen, druckst Kai undeutlich, verdorben, nuschelt er. Warst du da, fragt ihr Vater, heut mittag mit dabei? Ein Laster auf der Straße bremst, im Schrank klirrt haltlos Porzellan, Kai schüttelt müde seinen Kopf, duckt das Gesicht zum Boden und sieht danach die EItern, ihr Kriecher, leise an - I'm the nigger that hunts you now.

Ich weiß nicht, sagt Kai später, ich war ja schon sehr oft da, hab da mit ihr geschlafen, auch auf dem Bett der Eltern, in deren

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