frischen Laken, nur da, das Röhrenradio, zusammen mit dem Toten...

Und die Eltern von ihr - ich heiße Coco, nenn mich... - werden geblinzelt und weggeschaut haben, und es wird still geworden sein, dort, in ihrem Wintergarten, alles wird nach Pizza und Oregano gerochen haben, sie werden wie ein Schattenriß vor ihren Fenstern gesessen haben, die Fenster werden groß, sehr hell und dünn gewesen sein.

Und ich werde, weil es im warmen Wintergarten plötzlich sehr still geworden ist, gemeint haben, das Reden meines Vaters über Juden nicht nur zu verstehn, auch zu begreifen, »die ham eben das Geld oder den Handel - mit die Penunze, oder die Intillijenzler warn, was versteht da unsereiner«, und ich werde ihn vor mir, werde ihn angesehen haben, wie er langsam kleiner und kleiner geworden ist, den Großeltern nach über die Jahre, und wie die Augen hinter der Brille kindisch geworden sind und grau.

Und während ihre Eltern, linke Dozenten, vielleicht in sich hineingeschaut haben, saß sie, ihr kleines Mädchen, nackt unterm weißen Badetuch und sah im lieblichen Garten das Lächeln der Revolution.

Nur ich sah, wenn ich mich bückte, mit einem Mal verlegen, um unter dem Tisch nach Oliven zu angeln, ihr feuchtes Schamhaar im Korbgeflecht des, bedächtiges Schaukeln, mäßig wippenden Stuhls.

* *

Friedenau, 16 Uhr 46. Nachdem Kai, kurzer Kuß und kurzer Abschied, eilige Verabredung, hastig irgendwelches Sportzeug bei Corinna zusammengesucht hat, ist er in der Kühle der Schächte und mit dem Geruch nach lichtloser Luft zurückgetaucht in den Tag. Und hat erst beim Anblick der von kläglichen Wegwerffeuerzeugen mühselig angekokelten Kaugummlautomatenhebel aufgehört zu zittern, die Haut noch innen kalt. Er hat, bevor er aus der noch fahrenden U-Bahn auf den Bahnsteig gesprungen ist, die Notbremse gezogen. Hinter ihm sind, der Mann am Mikro brüllt vergeblich, die schwitzenden Körper im ersten Wagen durcheinandergekegelt, Kai rennt.

Schon als er das Autobahnkreuz überquert, dann aus den Kleingärten wieder vortaucht, die Sonne klettert am Kiesweg an Steingutzwergen vorbei, sieht er den kurzen Küchler, dicke Muskeln, spitze Nase, alles etwas abgehackt, die Tür zum Kunstturnzentrum aufziehn - ej, ruft Kai, Alter, warte! und läuft, »ich komme!«, los.

Is gar nich so, sagt Küchler, während sie sich zwischen hellblauen Spinden umziehn zum Training, daß ick dit allet schön finden tu. Er beugt sich in den Schrank aus Blech, Kai atmet den Geruch ein, nach abgestandnem Körper und schweißdurchtränktem Leder. Aber, ej, sag ma, heute, wat warn da, ej, bei euch los, brummt Küchler, Ton wie aus dem Bauch, den Kopf im Spind, ein Kasten, die Stufenbarren knarren - Sport macht mich ruhiger? denkt Kai, frisch, fromm, denkt Kai, frei, fröhlich: das Heben rechter Hände, der fragt mich, was war los ?

Die Stille wächst wie dicke Milch in einem Krug aus Porzellan: Sie ham acht Häuser abgeräumt, sagt Kai, blinzelt ins Neonlicht, das Schwein von einem Senator wollte da noch was quatschen, sie ham uns zwischen die Autos getrieben, einer, sagt Kai, is jetzt tot. Scheiße, sagt Küchler, dann sagt er nichts mehr. Der Raum riecht nach Moder und Schimmel.

Früher hat er gesagt: Aber, Alter, ihr müßt doch ooch ma die Bullen verstehn, wenn ihr se mit Klamotten bewerft, denn wern se natürlich ooch sauer - »Sauer?«. Das künstliche Licht mit dem grünlichen Schimmer, Kai antwortet: Sauer? Haste grad sauer gesagt? Das regelmäßige Prasseln der Dusche nebenan. »Wat soll'n dit heißen - sauer? Willste mich verarschen, oder biste so doof?« Kai packt Küchler vorne am Konfirmationsjackett - »Zieh ick ma immer an für ne Bewerbung, bißchen kleene, aber sonst schon noch o.k.«. Kai zieht Küchler an den schwarzen Jackettaufschlägen näher zu sich heran. Das Wasser in der Dusche ist plötzlich sehr, sehr laut. »Die wern, wenn se uff uns losjehn, wie Tiere, Alter, und janz jenau so sehn se aus!« Dann stößt Kai Küchler zweimal kurz vor die Brust: »Oder willste, wie hier die andern, ooch zu den Bullen jehn?« Die Enge in einem Umkleide-

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